Vergangenes Wochenende stand im Zeichen von Georg Philipp Telemann
Vor vielen Jahren hatten wir die Anfänge des KomponistenQuartiers Hamburg miterlebt, da war der Name noch gar nicht geprägt. Nebenan im Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Haus wurde gebaut, aber das Brahms-Haus stand uns offen, und die ehrenamtliche Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiterin im Ruhestand, die uns durch die Räume führte, war keine andere als Frau Joachim, mit dem berühmten Geiger verwandt, auf deren Idee das Museum im Brahms-Haus zurückging (Brahms‘ eigentliches Geburtshaus in Hamburg gibt es nicht mehr).

Einige Jahre später kehrten wir – am Geburtstag Joseph Joachims!) zurück und besuchten den kleinen historischen Stadtteil, der mittlerweile ein Quartier geworden ist, neben Brahms und Carl Philipp Emanuel an Johann Adolph Hasse, Felix und Fanny Mendelssohn, Gustav Mahler und Georg Philipp Telemann erinnert. Darüber hinaus wendet es sich mit kontemporär 2025 auch der Gegenwartsmusik zu. Der Komponist:innenverband stellt im KomponistenQuartier Hamburg Leon Gurvitch, Dong Zhou, Aigerim Seilova sowie das Duo NVCHT&ONI vor.

Seit zehn Jahren existiert das Viertel in dieser Form und feiert dies mit einigen Festwochenenden, an denen jeweils ein anderer Komponist bedacht wird. Das vergangene galt Georg Philipp Telemann. Das meiste gab es übrigens bei freiem Eintritt zu erleben – Spenden waren natürlich willkommen.
SZENISCHE MUSIK UND VORTRÄGE
Wir besuchten am Sonnabend die mittlere Veranstaltungsreihe, beginnend mit Telemann Short pieces, einem szenischen Konzert, das Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Allee bestritten. Gemeinsam mit dem Komponisten Karsten Gundermann und der Hamburger Telemann-Gesellschaft ließen sie nicht nur Telemanns Musik anklingen, sondern setzten Musik, Ruhe und Lärm ins Verhältnis, machten den Streit um Ruhestörungen zum Thema. Merke: Nicht nur bei Bach gab’s Krach, auch bei Telemann und seinen Nachbarn konnte es hoch hergehen! Am Nachmittag präsentierte sich die Telemann-Gesellschaft mit ihren Mitgliedern bzw. ehrenamtlichen Mitarbeitern des Telemann-Museums in Vorträgen zu Telemanns Zeit, seinen Blockflöten und anderen Themen.
SO KLINGT BRAHMS

Dazwischen besuchten wir für einen kurzen, kostbaren Moment das Brahms-Haus, in dem wir nicht nur die erst bei Modernisierungsarbeiten freigelegte Deckenmalerei erblicken, sondern vor allem Johannes Brahms‘ Tafelklavier hören konnten. Der Komponist hatte das 1859 vom Hamburger Klavierbauer Baumgardten & Heins geschaffene Instrument gespielt und darauf Minna Völckers sowie deren Tante Marie unterrichtet. Nach Brahms‘ Weggang (nach Wien) blieb das Instrument im Besitz der Familie Völckers, über deren Nachkommen es schließlich ins Brahms-Haus gelangte und heute in restauriertem Zustand regelmäßig einmal im Monat erklingt – am jeweils vierten Sonnabend heißt es »So klingt Brahms!«.

Die »Vorführung« war deutlich mehr, ein kleines Konzert zwar, aber ein Konzert, das unseren Lesern für künftige Hamburgbesuche nur empfohlen sei. Das Museum nimmt den Anlaß ernst und hat jeweils einen veritablen Pianisten engagiert. Für die letzte Ausgabe war Seunghwan Severino Kim, der in Lübeck Zugang zu Brahms fand, heute in Trossingen studiert, extra aus Süddeutschland angereist. Für seinen Vortrag hatte er aus Johann Sebastian Bachs Wohltemperiertem Klavier Präludium und Fuge E-Dur, den ersten Satz aus Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 16 sowie drei Klavierstücke aus Johannes Brahms‘ Opus 116 ausgewählt eine lohnende Klangerfahrung in einer wunderbaren Umgebung!

FESTKONZERT DER HAMBURGER RATSMUSIK
Für einen festlichen Abschluß unseres Besuches sorgte die Hamburger Ratsmusik um Gambistin Simone Eckert. Im Lichtwarksaal gleich gegenüber des Telemann-Museums hieß es zum feierlichen Anlaß »Ferne Fürsten: Telemann am Hof von Zerbst«. Mit dabei waren Anke Dennert am Cembalo sowie Ulrich Wedemeier (Laute), die zum festen Kern der Hamburger Ratsmusik gehören, und Christoph Heidemann (Barockvioline). Henriette Otto an der zweiten Violine war sehr kurzfristig für eine erkrankte Kollegin eingesprungen. »An der Stimme« bzw. als Sopranistin begegneten wir Isabell Schicketanz wieder, die einfühlsam in Kantaten bzw. Arien von Georg Philipp Telemann oder Johann Ulich präsentierte – neben Telemann selbst standen Weggefährten und Freunde auf dem Programm.
Ganz innerlich und freudig gaben die Hamburger Ratsmusik und Isabell Schicketanz anfangs »Gott muß seinen Segen geben« aus Telemanns Kantate »Es ist umsonst, daß ihr früh aufsteht« (TVWV [Telemann Vokalwerkeverzeichnis] 1:1753) sowie »Jesu, deine Freundlichkeit« aus »Das ist je gewißlich wahr« (TVWV 1:82) Ausdruck und offenbarten dabei Telemanns Innovationen.

Zwischen Telemanns Arien hatte die Hamburger Ratsmusik Quartette und Sonaten eingebettet, wie von Johann Friedrich Fasch, mit dem Telemann eng befreundet war bzw. der Telemann sehr verehrte, oder von Johann Gottfried Golde. Während Fasch in seinem Quartett d-Moll (FWV N.d:3) eine Italienità wie Vivaldi bewies und im Largo die gesangliche Schönheit eines Duetts in den Violinen entfachte, bezauberte Golde – kaum weniger innovativ – in seiner Sonata C-Dur à Viola da Gamba con Cembalo mit einem melancholischen Largo, an das sich eine lebensfrohe Giga im Gestus von »Wie freudig ist mein Herz« anschloß.
In Johann Ulichs »Ihr hellen Sterne des Glücks« und nicht weniger bei Johann Philipp Kriegers Psalmvertonung »Herr, auf dich traue ich« sorgte Isabell Schicketanz für kleine Höhepunkte, die weit über eine Cantata (Ulich) bzw. ein Geistliches Konzert (Krieger) reichte, vielmehr gestaltete die Sopranistin mit der Hamburger Ratsmusik lehrreiche und ergötzliche Balladen. Die vielen Formen des Glücks (es kann unzuverlässig sein!) und die Möglichkeiten, damit umzugehen (Geduld!) wurden dabei mit Witz und Lebenssinn präsentiert.

Auch instrumental blieb das auf höchstem Rang belebend, wie in Goldes Ouverture pour l’clavessin, das Anke Dennert einen Soloauftritt bescherte, zuvor hatte Ulrich Wedemeier eine Kostbarkeit präsentiert, die zwar Lieblingsstück, aber höchst selten zu erleben ist: Johann Friedrich Faschs Lautenkonzert d-Moll (FWV L:D6) wohnt ein ungeheurer Zauber inne, nicht nur, weil das Soloinstrument im Gegensatz zu seinem Namen eher leise klingt. Für eine Aufführung braucht es das richtige Ensemble nicht weniger als einen passenden Raum – hier war beides gegeben!
Die kleine Besetzung bewies, daß Festglanz auch mit solistischen Besetzungen der Stimmen erreicht werden kann. Auf Georg Philipp Telemanns »Fest im Glauben, treu im Leiden« aus »Der Gerechte muß viel leiden« (TVWV 1:246) mußte daher noch etwas folgen, wofür Isabell Schicketanz und die Hamburger Ratsmusik als lebenskluge Zugabe »Das Glück kommt selten per posta« (TVWV 25:71) nachsandten.
29. Juni 2025, Wolfram Quellmalz
Im Oktober (10. bis 12.) feiert das KomponistenQuartier Hamburg weiter sein KQ10! – Jubiläumsjahr 2025. Dann steht Gustav Mahler im Mittelpunkt.
