Michael Praetorius und anderes im Meißner Dom
»So alt, so jung, so gut!« hatte sich die Jugendmusiziergruppe »Michael Praetorius Leipzig« e. V. am Sonnabend aufs Programm geschrieben, und es sollte sich nicht als bloßer Titel erweisen. Im Rahmen der fünften Geistlichen Abendmusiken des Meißner Doms hielten die Schülerinnen und Schüler jedes ihrer Versprechen, vom alt und jung über das gut bis zum Musizieren. Denn in der Jugendmusiziergruppe ist niemand nur der Spieler eines Instruments – schon wegen ihres Repertoires, das von Michael Praetorius, also der Renaissance, bis in die Gegenwart reicht, beherrscht jeder (mindestens) zwei Instrumente: neben der aktuellen klassischen Form ebenso die historische. Also zum Beispiel Quer- und Traversflöte, wobei gerade bei den Bläsern wegen der unterschiedlichen Bauformen und Größen schnell noch ein paar weitere Instrumente zwischen Piccolo und Subbaß hinzukommen. Zu einer effektvolle Aufführung wie im Meißner Dom gehören außerdem Sonderinstrumente wie Glöckchen und Blasrohre, die nebenher praktisch jeder spielen kann. Und damit nicht genug: Alles Musizieren beginnt mit dem Singen. Bei der Jugendmusiziergruppe »Michael Praetorius Leipzig« gibt es keinen separaten Chor – das Singen übernehmen jene Instrumentalisten, die gerade Pause haben (hätten). Soli selbstverständlich eingeschlossen.
Solches Agieren ist nicht nur ungemein effektvoll, es sorgt für Freude auf Seiten der jungen Musiker wie beim Publikum. Da ließ sich der oft reichliche Applaus in der Andacht einmal nicht unterdrücken.
Begonnen hatte es mit einem ruhigen Stück von Andreas Künzel, einem der beiden Ensembleleiter neben Judith Gernhardt, der auch einmal die Konzertmeistervioline übernahm und mit dem Bogen dirigierte. »Großer Gott« mit zunächst stehenden Tönen im Baß, spielte sich das Ensemble zum Einzug selbst und mündete in den gesungenen Choral.
Im Kern spielten die jungen Michael-Praetorius-Musiker Werke des 16., 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Dabei hatten sie verhältnismäßig unbekannte Perlen wie Lodovico Viadanas »La bergamasca«, aber selbst Johann Sebastian Bachs Motette »Jesu, meine Freude« (BWV 227) wurde neu aufpoliert. Denn Bläser, Streicher und Sänger gruppierten sich immer neu, wogend, lebendig, herzlich und mit Freude – eben musikantisch. Dabei konnte man alte Instrumente wie Gamben, Chalumeaus und sogar eine Tromba marina (Trumscheit) erleben – sehend wie hörend. Das war schon verblüffend – bei den Streichern ist es naheliegend, daß jemand, der sich für Alte Musik interessiert, mit Gamben befaßt. Doch teilweise waren hier Exoten unter den Instrumenten, die selbst bei Spezialensembles selten zu erleben sind.
Vielleicht sorgt gerade die Nähe von instrumentalem Spiel und Gesang bzw. das unvermeidliche, gleichzeitige Miteinander für eine so besondere Atmosphäre. Insofern schien es selbstverständlich, daß die Jugendmusiziergruppe »Michael Praetorius Leipzig« neben den klassischen Werken wie von Michael Praetorius auch traditionelle und dem Volksliedgut nahestehende Stücke, sogenannte »Traditionals«, ins Programm aufnahm. Mit »Shnirele perele«, »Moldavian hora«, »Lebedik«, »Fiselekh« und »Tepel« hatten sie nicht nur solche mit jiddischen Texten dabei, sondern öffneten ihr Repertoire zur Klezmer- und Balkanmusik.
Und doch entstand dabei keine bunt zusammengefügte Mischung, sondern ein Musizieren, das sich der verschiedenen Elemente besann, fremdes aufnahm – ganz so, wie es in der Musikhistorie durch die wandernden Musiker einst geschah. Tielman Susato zum Beispiel, von dem wenige Lebensdaten gesichert sind, wurde vermutlich in Soest geboren, lebte in Antwerpen, verstarb wahrscheinlich in Schweden. Mit seiner Pavane »Die Schlacht« hatte er die damals beliebte Gattung der Battaglia bedient. Die Schalmeien durften dafür sogar von der Kanzel blasen.

Der Ferienbeginn bzw. das Schuljahresende sind in Jugendensembles damit verbunden, daß Teilnehmer nach Jahren ausscheiden, um neue Wege zu gehen. Andreas Künzel verabschiedete zwei von ihnen in den nächsten Lebensabschnitt. Susatos Battaglia ließ die Jugendmusiziergruppe zum Abschluß»Verleih uns Frieden« ihres Namensgebers folgen.
Ohne Zugaben ging es allerdings nicht. Nach Benjamin Brittens »The young person’s guide« zog das Ensemble, spiegelbildlich zum Beginn, singend wieder aus. Wenn die Jugendmusiziergruppe „Michael Praetorius Leipzig“ einmal in Ihre Nähe kommt, sollten Sie unbedingt hingehen – Erlebniswert garantiert!
6. Juli 2025, Wolfram Quellmalz
Die nächste Geistliche Abendmusik im Meißner Dom gestalten Simon Riedlecker und Philipp Seidel (Gitarren) am 19. Juli gemeinsam mit Domkantor Thorsten Göbel (Truhenorgel).