Barock und Romantik kreuzen Deutschland und England

Daniel Moult an der Silbermann-Orgel der Dresdner Hofkirche

Kurz vor dem Ende der Internationalen Dresdner Orgelwochen besuchte ein britischer Organist am vergangenen Mittwoch die Dresdner Hofkirche (Kathedrale) mit deutscher und englischer Musik. Ein wenig Glück gehörte auch dazu, zumindest dahingehend, daß die am Vortag gefundene Fliegerbombe rechtzeitig entschärft werden konnte – der Spielort am Rande des Sperrbereiches hätte eine Konzertaufführung sonst nicht erlaubt.

In seinem Programm hatte Daniel Moult der ländergebundenen Musik Georg Friedrich Händels bzw. George Frideric Handels als Verbindungselement beigelegt. Denn der in Halle an der Saale geborene Komponist anglisierte später nicht nur seinen Namen, er nahm 1727 auch die englische Staatsbürgerschaft an (anderenfalls wäre eine Beisetzung in Westminster Abbey auch nicht möglich gewesen).

Und doch lag ein Schwerpunkt des Konzerts bei Johann Sebastian Bach, der nicht nur Anfang und Ende markieren durfte, sondern dessen Passacaglia c-Moll auch im Zentrum des Abends stand. Des einen Freud, des anderen Leid – zwar gehört das BWV 582 zu den beliebtesten Werken des Thomaskantors, doch ist es auch verhältnismäßig oft zu hören und entwickelt leicht gegenüber kleinen Trouvaillen im Programm eine Dominanz.

Mit Präludium und Fuge C-Dur (BWV 531) fiel der Beginn jedoch ungewöhnlich aus, denn das zu den früheren Kompositionen zählende Werk (Arnstädter Zeit) fällt trotz seiner formalen Regelmäßigkeit gerade durch den äußerst lebhaften, getriebenen Impuls wechselnder Tonskalen auf. Manche jugendliche »Unebenheiten« wurden dabei quasi weggeblasen, denn auch die Fuge bewahrte einen feurigen Charakter. Schon hier fiel auf, daß Daniel Moult nicht auf Prägnanz und Strahlkraft allein setzte. Vielmehr ging er sehr bedacht mit Klang und Hall um, was ihm auch erlaubte, dynamische Verläufe zu gestalten.

Mit den folgenden beiden Stücken schlug der Organist eine Brücke zwischen Kontinent und Insel, denn auf Bachs Choral über »Herr Gott, dich loben wir alle« (BWV 326) folgte John Blows Voluntary on the Old Hundredth fast unmittelbar, so daß sich die gesanglichen Aspekte beider ergänzten (das Voluntary bezieht sich auf Psalm 100). Blows kurze Variationen (Voluntarys sind durchaus mit Präludien vergleichbar) schienen Bach wirklich zu folgen.

Welches mochte nun der Höhepunkt in der Mitte des Abends sein? Georg Friedrich Händels Fuga V begann mit frischen Solostimmen, die sich immer enger umschlossen und schließlich einen harmonisch goldenen Kern bildeten. Bachs Passacaglia c-Moll (BWV 582) nutzte danach den gesamten dynamischen Spielraum, offenbarte aber gerade in der Fuge mit umgekehrtem Motivverlauf auch eine heitere Seite in der gestrengen Architektur des Thomaskantors.

Statuen der Märtyrer des 20. Jahrhunderts (Maximilian Kolbe, Manche Masemola, Janani Luwum, Elizabeth von Russland, Martin Luther King, Óscar Romero, Dietrich Bonhoeffer, Esther John, Lucian Tapiedi, und Wang Zhiming) an der Fassade über dem Großen Westportal der Westminster Abbey. Bildquelle: Wikimedia commons

Zwei Mitbringsel und Überraschungen von Familie Wesley hatte Daniel Moult dabei: Der Choral Song and Fugue gehört zu den bekanntesten Werken von Sohn Samuel Sebastian, Vater Samuel hatte einige Voluntarys notiert, darunter eines in G. Der Choral Song beeindruckte mit seinem hymnischen Charakter, der sich in den Strophen (auch mit kleinem »Chor«) wiederholt. Die auf ein frohes Viertonmotiv aufbauende Fuge war kaum weniger mitreißend und fand in einem nach-halltigen Schlußakkord einen lebensvollen Ausklang.

Im Vergleich zu dem 1842 entstandenen Stück überraschte Daniel Moult beim Voluntary des Vaters. Die Werk aus dem Opus 6 waren zwischen 1805 und 1818 entstanden, also deutlich vor dem Choral Song des Sohnes, doch mit einem gemächlichen Beginn (Moderately slow) und einem nur mäßig gesteigerten Lebhaftigkeit (Lively) sowie der gewählten Registrierung schien es bereits deutlich romantischer zu sein. Man durfte aber feststellen, daß es hier nicht an Kontur fehlte, sondern der Komponist wohl Wert auf solch innere Stimmungen gelegt hatte.

Allerdings schien die Romantik Felix Mendelssohns in dessen Orgelsonate Nr. 6 doch ein wenig schlicht – hier wiederum wäre mehr Prägnanz und Reibung wünschenswert gewesen. Davon bot die Toccata F-Dur (BWV 540) von Johann Sebastian Bach dann nicht nur reichlich, viel wichtiger blieb vielleicht der fröhliche Impuls, der nach BWV 531, BWV 582 und Wesley wiederkehrte.

8. August 2025, Wolfram Quellmalz

Am kommenden Mittwoch spielt Jean-Christophe Geiser (Lausanne) Im Dresdner Orgelzyklus Werke von Johann Sebastian Bach, Guy Ropartz, Charles-Marie Widor und Louis Vierne (13. August, 20:00 Uhr, Kreuzkirche, 19:19 Uhr: Gespräch unter der Stehlampe).

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