Einmal quer durch Europa

Dresdner Philharmonie eröffnet Spielzeit 2025 / 26 mit Gupta, Dvořák und Bartók

Am Wochenende begann die Dresdner Philharmonie ihre Saison. Bevor der nun echte (und nicht nur designierte) Chefdirigent den Stab im November ergreifen wird, übernahm Tabita Berglund am Wochenende die Führung. Auch sie war bereits beim Orchester zu Gast, hat aber seit diesem Jahr den Status als Erste Gastdirigentin und kommt noch weitere Male.

Oberbürgermeister Dirk Hilbert freute sich in seiner Begrüßung am Sonnabend auf beide. Sir Donald Runnicles werde eigene Akzente setzen, beginnend mit dem Very-British-Festival im November und dem Composer in residence Sir James MacMillan, im nächsten Jahr werde die Dresdner Philharmonie mit einer Japan-Reise das Renommee ausbauen. Mit seiner Rede und kurzem Saisonausblick hielt sich Dirk Hilbert aber erfreulich kurz und präzis – nun konnte es wirklich losgehen.

Und es begann recht skandinavisch, denn Norweger bestimmten die erste Programmhälfte. Neben der Dirigentin und ihrem früheren Cellolehrer, der noch auftreten sollte, gehörte die Bühne zunächst dem Epilog zum Oratorium »Jordens sang« (»Lied von der Erde«) des norwegischen Komponisten Rolf Gupta. Der Name ist nicht zufällig und bezieht sich nicht zuletzt auf Gustav Mahler, wobei »Jordens sang« unsere Erde, vor allem ihren Zustand und ihre Bedrohung, konkreter faßt.

Solist Truls Mørk, Erste Gastdirigentin und die Dresdner Philharmonie, Photo: Dresdner Philharmonie, © Oliver Killig

Tief raunend (Kontrabässe) begann der Epilog, wie ein Ur-Ton, und was sich danach bildete, steigerte, lichter wurde, glich in der Tat einem Schöpfungsprozeß. Die an sich steigenden, eher linearen Strukturen wurden immer wieder gebrochen, durch fallende Glissandi, verfremdete Töne (teils mit echten Instrumenten erzeugte Eindrücke von elektronischen Zuspielungen), auch »Störungen«. Manches ließ sich als Klage, Warnung, Flehen interpretieren, nicht immer jedoch war ein »Sinn« erkennbar. Jedoch blieb der Verlauf intakt, die Viertelstunde spannend, und es war klar: dies ist ein Anfang. Da fragt die Neugier, wie es weitergeht und ob sich der Eindruck so hoher Spannung beim zweiten, dritten … Hören erhält oder verflüchtigt.

Das Maß von Tabita Berglund blieb auf jeden Fall. Sie verfügt nicht nur über Gelassenheit, sondern auch eine sogenannte »linke Hand«, was aber nicht meint, daß sie besser ist als ein Dirigent mit »zwei linken Händen«. Der linken Hand werden bei Dirigenten gemeinhin besondere Aufgaben der Gestaltung zugeschrieben, was in der Tat nicht jeder beherrscht. Im Fall von Antonín Dvořáks Cellokonzert gelang es Tabita Berglund außerordentlich gut, das Orchester um Truls Mørk zu gruppieren, den Solisten einzuschließen oder einen Kontrast zu ihm zu entwickeln. Immer wieder begeisterten die Soli, ob nun so frühlingshaft frisch wie zu Beginn, noch vor dem ersten Cello-Solo, oder im fortwährenden, Dialog.

Das ließ sich sogar noch steigern, wenn das Orchester nicht nur dem Ton oder der Lautstärke, sondern auch dem Vibrato von Truls Mørk folgte, etwa mit dem Pizzicato der Violen, die das Thema des Solisten im ersten Satz flankieren. Das sorgte einerseits für eine hohe Spannung in den Ecksätzen, andererseits arbeitete Tabita Berglund die kammermusikalischen Passagen des dritten und fast insgesamt derart gestalteten zweiten Satz sehr schlank heraus. Was sie nicht hinderte, einen Ausbruch wie von den Holzbläsern im Adagio, vom Schlagwerk unterstrichen, noch schärfer herauszuzeichnen.

Im Finale entwickelte sich eine regelrechte Vehemenz, die aber den sauberen Klang nicht vermischte. Noch einmal nahm das Orchester (nun im Tutti) das Vibrato von Truls Mørk ab. Als Zugabe spendierte er Pau Casals‘ »El canto de los pájaros« – ein schönes Stück, aber es scheint, als wäre die Encore-Auswahl der Cellisten auf Bachs Sarabanden und diesen Casals reduziert.

Dabei stand der eigentliche Höhepunkt noch bevor, denn Béla Bartóks Konzert für Orchester (SZ 116) gehört zu den anregendsten Werken der Orchesterliteratur. Und wieder hatten die Kontrabässe den Vortritt, diesmal allerdings mit eindeutigem Motiv. Das verteilte sich flugs durchs Orchester, bewies Potential, setzte zum Sprung an …

Die Präzision blieb zwar erhalten wie die Sauberkeit im Ton und der Witz, jedoch spätestens im dritten Satz fehlte dem allmählichen Verlauf eine Pointe, die Spannung. Die Ingredienzen blieben hervorragend, waren nun um den herrlichen Blechbläserchor von Trompeten und Posaunen erweitert, die auch einmal an ein Consort erinnerten. Die Soli, grazil platziert, verdichteten sich zu einem konzertanten Plateau – durchaus eine andere Klangmischung als in einer Sinfonie. Trotzdem fehlte hier und da der Funke, der Bartók so entzündlich machen kann. Vielleicht braucht die Gelassenheit manchmal einen größeren Impuls.

1. August 2025, Wolfram Quellmalz

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