Abschlußkonzert der Alten Musik in Leubnitz
Die zeitliche Einteilung der »Alten Musik« läßt sich keineswegs allein auf die Periode »vor Bach« beschränken. Hört man genauer hin, finden sich in den Jahrhunderten davor ebenso unterschiedliche Epochen wie der Übergang danach manche Eigenschaften »alter« und nachfolgender Musik vereint. Daß man dies nicht nur belesen, sondern auch erfahren kann, liegt an den Musikern, die uns diese Welt erschließen. Zu ihnen gehören Marie Luise Werneburg (Sopran), Margret Baumgartl (Violine) und Sebastian Knebel (Tasteninstrumente), die sich zwar als Trio (noch?) keinen Namen gegeben haben, ihre Programme jedoch sorgsam pflegen und weiterentwickeln. Am vergangenen Freitag spielten sie im Abschlußkonzert der Reihe Alte Musik in Leubnitz Lieder von Johann Gottlieb Naumann, in denen sich vielleicht Ursprünge aus dem Barock nachweisen ließen, mehr noch Anteile der Klassik, die prägendsten Merkmale sind aber wohl der Empfindsamkeit zuzuordnen.
Damit widmeten Marie Luise Werneburg, Margret Baumgartl und Sebastian Knebel der oft als »Übergangsperiode« eingeordneten Zeit wieder einmal die ihr zustehende Aufmerksamkeit. Es lohnt allemal, das »Zwischen«, das zu seinen Zeiten hochangesehen war (wie die Verehrung Carl Philipp Emanuel Bachs durch seine Zeitgenossen zeigt), zu entdecken. Schon instrumental brachte das die eine oder andere damalige Neuerung mit sich, so spielte Margret Baumgartl mit einem Bogen, der nicht mehr konvex und deutlich größer war als die barocken Vorgänger. Sebastian Knebel hatte ein Hammerklavier mitgebracht, das nicht allein perlend brillierte (wozu das Cembalo neigt), sondern die Singstimme samtig umschließen konnte.

Die Empfindsamkeit darf man dabei weder mit Empfindlichkeit noch Zurückgezogenheit verwechseln. Im Gegenteil war die Periode von einem Aufbruch und einer Entdeckerfreude gekennzeichnet und davon, sich innersten Zuständen, Gefühlen zu nähern, womit sie wichtige Voraussetzung für die Romantik schuf. Das zeigt sich nicht zuletzt in den zeitgenössischen Texten, die damals neugierig – oft vielfach – aufgegriffen wurden. Wie Goethes »Nur wer die Sehnsucht kennt« (»Lied der Mignon«), das Beethoven, Schubert, Schumann und Tschaikowski vertonten, und eben auch – noch früher – Naumann. Das zarte Lied, das Freude, Wonne und Bedauern einschließt, stand am Ende des ersten Programmteils, der mit »An die Sonne«, »Der Sprung« oder »Der Seufzer« bereits tief romantische Themen aufgriff, mit Licht und Nachtigallen in den Bereich des Frühlings (ob nun direkt oder im übertragenen Sinne) zurück- bzw. vordrang. Die Mühelosigkeit, mit der sich Marie Luise Werneburgs Sopran noch in lichteste Höhen aufschwang, aber auch der leichte Schatten, der Worte umhüllen konnte, bezauberte ebenso wie das schmeichelnde Hammerklavier – kein »folgsamer« Begleiter, sondern ein ausgleichender, gleichgesinnter Partner! All die Zartheit enthielt eine bekräftigende Zuversicht, wie sie Wilhelm Ludwig Gleim mit »auf Gott verlaß ich mich« (Lied »Ich«) formuliert hatte.
Margret Baumgartl sorgte mit drei Beträgen für mehr als nur Farbtupfer an diesem Abend – zuerst in Joseph Schusters Divertimento V in D-Dur, das den Komponisten zahlreicher Messen, Oratorien und Bühnenwerke nur schlecht verbergen konnte: Violine und Hammerklavier fanden zu einem ausgesprochen opernhaften Austausch, der einem Rezitativ mit Arie (Adagio) glich, deren Klage durch das Allegretto heiter aufgelöst wurde wie in einer Ensembleszene Mozarts.
Den zweiten Konzertteil führte eine Sonata Naumanns an, die sich – zweisätzig – nun als echtes Instrumentalstück präsentierte, mit weitem Bogen ein empfindsames Tableau aufspannte, in welches sich dennoch Singstimme und Seufzer einzuschleichen schienen. Sowohl bei der Violine wie beim Klavier überwog nicht vordergründige Brillanz, sondern eine einfühlsame Melodieführung im Duett, die ein pulsierender Baß des Hammerklaviers sanft stützte. Für die »Elegie von Hartmann für wenige« (Gottlob David Hartmann) gesellte sich die Violine, nun mit Dämpfer, sogar noch zur echten Singstimme.
Womit ein Übergang geschaffen war, denn im folgenden wandte sich das Programm Themen wie Herbst und Nacht bzw. Tod zu. »Vom Tode« (Gellert) und »Das Grab« (Spangenberg) bargen aber nicht weniger Sehnsucht als die vorigen Lieder und waren keineswegs hoffnungslos, sondern entsprachen eher schlichten Abendliedern, denen Marie Luise Werneburg mit bewußter Betonung Charakter verlieh. Mit vier Liedern zu Texten Elisa von der Reckes gab es sogar einen geschlossenen kleinen Zyklus von Gedanken (»Erinnerung«, »An eine junge Freundin«, »Die Freundschaft«, »An den Schlaf«), der leise ausklingend schon ein schönes (Ab)schlußwort gewesen wäre, was aber dem »Nachtgesang« (nach Kosegarten) vorbehalten blieb.
Trotz der leisen und Abschiedsstimmung bedurfte es danach einer Zugabe, die das Trio bei noch einem oft vertontem Text fand: Schillers »Ode an die Freude« in der Fassung von Johann Gottlieb Naumann.
13. September 2025, Wolfram Quellmalz