Ernte? Dank!

Festliches Konzert in der Kirche Reinhardtsgrimma

Über das Jahr kommen regelmäßig wichtige Gäste zur Reihe »Konzerte an der Silbermann-Orgel in Reinhardtsgrimma«. Die vom damaligen Kreuzorganisten Herbert Collum ins Leben gerufenen Konzerte erfreuen sich bei Spielern wie beim Publikum großer Beliebtheit, und so kehren Zuhörer aus dem ganzen Umland in die kleine Kirche ein. Der Termin im September ist insofern ein besonderer, daß er mit dem Erntedank zusammenfällt, weshalb die Kirche jeweils reichgeschmückt ist. Das setzt sich musikalisch fort, denn Gottfried Silbermanns zweimanualiges Opus 32 erhält dann neben den zwanzig regulären Registern regelmäßig die Ergänzung eines Soloinstruments hinzu. Am Sonntag vor einer Woche übernahm Andre Schoch (Mannheim) diese Rolle neben Arvid Gast (Lübeck), der vor Wochenfrist noch Mitglied der Jury des XVII. Internationalen Gottfried-Silbermann-Wettbewerbs gewesen war.

Zum Erntedank geschmückte Kirche in Reinhardtsgrimma, Photo: NMB

Natürlich hatten sie für das Konzert zum Erntedankfest ein besonders festliches Programm zusammengestellt. Auch bei Musikern läßt sich im übertragenen Sinne von »Saat«, »Aufzucht« und »Ernte« reden – insofern lag der Gedanke, die musikalische Ernte eines reichen Erbes einzufahren, nahe. Das »Erbe« wiederum hatten beide in der Zeit Gottfried Silbermanns und der Generation danach gefunden und begannen mit einem Trumpet Voluntary von John Stanlay. Ursprünglich für Tasteninstrumente geschrieben, die vor allem Trompetenregister benutzen sollten, paßte das Stück also schon im Gestus gut zum überragenden Klang der Silbermann-Instrumente. Und die (Rück)übertragung einer Stimme auf die Trompete erwies sich als wahrlich glänzende Gelegenheit, den strahlenden Klang der Silbermann-Orgel und der Barock-Trompete zu vereinen.

»Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß« erinnerte Pfarrer Markus Deckert in seiner Begrüßung Rainer Maria Rilkes »Herbsttag«, Photo: NMB

Doch so wie Arvid Gast viele Register ziehen konnte, hatte Andre Schoch immerhin zwei Instrumente dabei: die Choralbearbeitung »Es ist gewißlich an der Zeit« von Johann Ludwig Krebs spielte er als Fantasia ebenso wie Johann Sebastian Bachs »Freu dich sehr, oh meine Seele« (aus der Kantate »Wachet! betet! betet! wachet «, BWV 70) auf einer normalen (B-)Trompete, mit der er einen ungemein sanften, weichen und kantablen Klang hervorbrachte. Vor allem bei Bach gewann man eher den Eindruck einer singenden Altistin als eines Blechblasinstruments!

Dagegen durften die Barocken Stücke reichlich blitzen und funkeln – Silbermanns strahlende Register waren dazu ein Äquivalent. Am virtuosesten und verspieltesten gelangen dabei Giuseppe Tartinis Concerto D-Dur und Johann Sebastian Bachs Concerto-Bearbeitung BWV 972 nach Antonio Vivaldis Violinkonzert D-Dur (RV 230). Während bei Tartini die virtuosen Läufe voller Einfälle waren, die »Im schönsten Wiesengrunde« mit dem Refrain »Dich, mein stilles Tal, grüß‘ ich tausendmal!« einschlossen und im Schlußsatz noch eine Extraportion an Läufen und Sprüngen bereithielten, war der Italiener dennoch darauf Bedacht, die Kantabilität des Andante nicht einer Zurschaustellung zu opfern. In diesem Sinne blieben Arvid Gast und Andre Schoch in ihrem Konzert eher bei der Gesanglichkeit und ließen die Orgel auch einmal allein vortragen, wie im Adagio-Satz Stanleys, der freilich von der Virtuosität der Trompete eingeschlossen wurde. Wie sehr sich beide Spieler in Technik und Ausdruck, in Brillanz und Gesang ergänzten und einig waren, zeigte nicht zuletzt Bachs Vivaldi-Bearbeitung, bei der Arvid Gast sozusagen großzügig ein Register der an sich reinen Orgelbesetzung für den Solisten und Partner »hergegeben« hatte.

Die Vorzüge der kleinen Silbermann-Orgel, die jedoch ziemlich mächtig tönen und prachtvoll strahlen kann, führte Arvid Gast außerdem in ausgewählten Stücken für Orgel solo vor. Johann Sebastian Bachs Praeludium und Fuge C-Dur (BWV 547) sowie Fantasie und Fuge g-Moll (BWV 452) waren hinreichende Beweise nicht nur einer stupenden Spieltechnik, sondern auch einer sauberen und vieltönigen Registrierung.

22. September 2025, Wolfram Quellmalz

Traditionell endet die Reihe Konzerte an der Silbermann-Orgel in Reinhardtsgrimma mit einer Vesper am zweiten Weihnachtsfeiertag. Um 16:00 Uhr ist dann, bei freiem Eintritt (Spenden erbeten) das Ensemble Corona Harmonica mit Jan Katzschke zu erleben.

http://www.reinhardtsgrimma.hiller-musik.de/programmorgel.html

Hinterlasse einen Kommentar