Heinrich Schütz erfahren

Schütz-Häuser in Weißenfels und Bad Köstritz sind ins Musikfest eingebunden

In diesen Tagen erleben wir die Musik von Heinrich Schütz im Rahmen des Heinrich Schütz Musikfestes (HSM) an vielen »fremden« Orten, denn oft sind historische Stätten nicht erhalten. In Dresden gingen sie verloren oder wurden ersetzt – von Frauenkirche und Schütz-Wohnhaus existieren Nachfolgebauten, die Schloßkapelle ist rekonstruiert, steht aber derzeit (noch) nicht wieder zur Verfügung.

Etwas anders sieht es in Thüringen und Anhalt aus, wo die Geburts- und Wohnhäuser des Sagittarius erhalten geblieben sind. Vor vierzig Jahren, als man die Geburtstage von Schütz (400), Bach, Händel und Domenico Scarlatti (alle 300) mit einem »europäischen Jahr der Musik« feierte, wurden die beiden geretteten und wiederhergestellten Heinrich-Schütz-Häuser in Bad Köstritz und Weißenfels als Museen eingeweiht – ihre Jubiläen haben nicht nur Eingang ins HSM gefunden, sondern schlagen sich in vielen Programmpunkten des ganzen Jahres nieder.

Am Dienstag war – mitten im HSM und mitten in der Woche – an beiden Orten eine andere Begegnung mit Heinrich Schütz möglich. Wobei der Ort in Weißenfels ein wenig abwich – wenige vom Meter Heinrich-Schütz-Haus entfernt, in der Marienkirche, erklang »Orgelmusik zur Marktzeit«, eine Reihe, die von Ostern bis November zu erleben ist und ins HSM eingeschlossen wurde.

Direktorin Friederike Böcher eröffnete den Nachmittag …, Photo: NMB

Auch »Musikalische Museumsrunden« in Bad Köstritz gibt es nicht nur während der Festtage im Oktober, sondern fast jeden Monat. Dann stehen Betrachtungen der Musik Heinrich Schütz‘ im Mittelpunkt und nahezu alles, was sich damit verbinden läßt. In der Vergangenheit ging es unter anderem um die Zittauer Fastentücher, um »Karneval für Muffel« und sogar einmal um Karl May. Anläßlich des HSM war ein besonderer Gast eingeladen: Silke Leopold, Trägerin des Internationalen Heinrich-Schütz-Musikpreises 2024, fragte: »Wie museal ist Alte Musik?« Die passenden Klangbeispiele hatte sie mitgebracht und begann mit dem Prélude aus Marc-Antoine Charpentiers Te Deum. Allerdings in einer historischen Aufnahme von 1953, als das Stück für die Eurovisionshymne eingespielt worden war. Als solche ist sie heute ähnlich bekannt wie Händels »Zadok the Priest« (Hymne der UEFA Champions League).

Zunächst blieb aber zu klären, was »Alte Musik« und was »museal« bedeute, denn vor allem der erste Begriff hat sich immer wieder gewandelt, faßt einen (ebenfalls wandelbaren) Kanon der Musik »vor Bach« ein und soll gegenüber der übrigen »Klassik« abgrenzen. Doch solche Festlegungen können, auch wenn sie Orientierung bieten, irreführen.

… und übernahm dann das Starten der Hörbeispiele für Referentin Silke Leopold, Photo: NMB

In der Historie, führte Silke Leopold aus, sei zum Beispiel die Alte Musik, also ganz allgemein die überlieferte Musik, schon im Mittelalter als »Ars antiqua« (im Gegensatz zur »Ars nova«) bezeichnet worden. Später haben Gewohnheiten und Bedürfnisse diese Namen und Eingrenzung immer wieder verändert oder verschoben, bis ein Verständnis der heute geläufigen Begriffe entstanden sei, das wiederum wesentlich von der redaktionellen Arbeit von Rundfunkstationen geprägt wurde.

Jedoch wird die Alte Musik immer im Augenblick verstanden – so hat sie schon Mozart mit den Mitteln seiner Zeit wiederentdeckt und zum Beispiel in seiner »Messiah«-Bearbeitung Klarinetten eingesetzt, die Händel noch gar nicht kannte. Selbst das Verständnis von Alte-Musik-Pionieren wie Nikolaus Harnoncourt oder Gustav Leonhardt unterscheide sich erheblich von unserem heute, nicht zuletzt, weil diese Musiker im zwanzigsten Jahrhundert keine Lehrer für ihr Metier hatten, sondern mit den alten, schwer zu spielenden Instrumenten selbst neu begannen. Die heute übliche Virtuosität sei damals also gar nicht vorstellbar gewesen. Friederike Böcher, Direktorin des Heinrich-Schütz-Hauses Bad Köstritz, zollte dieser historischen Leistung später Respekt: sie traue sich zu, jedes Instrument in ihrem Haus vorzuspielen, aber vom Zink lasse sie die Hände!

»Museal« sei Musik eigentlich nie, weder »Alte« noch »Neue«, denn der Begriff des musealen ist mit einem Verständnis des Bewahrens verbunden. Und anders als bei einem Gemälde, das der Betrachter direkt in Augenschein nehmen kann, braucht die Musik immer den Interpreten als Vermittler. Nur Aufnahmen, wie die Eurovisions-, Europa- oder Champions-League-Hymne, können museal werden.

Das reizvolle an der Musikalischen Museumsrunde ist, daß sie zugänglich Tiefgang bietet, was sich anschließend in einer Fragerunde noch ausbauen läßt. Oder beim Kaffee, denn der gehört danach ebenfalls dazu. Im kommenden Jahr soll es übrigens einen Nachmittag geben, der Alte Musik für Einsteiger vermittelt.

8. Oktober 2025, Wolfram Quellmalz

Nächste Musikalische Museumsrunde in Bad Köstritz: 11. November »Die Welt braucht viel, viel Liebe« (zu Werner Sylten). Bereits am 15. Oktober lädt das Haus zum Festkonzert »40 Jahre HSH« mit Yumi Tatsumiya, Stephan Maas und Stefan Rath ein.

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