Heinrich Schütz und die Italiener

Quellenpräsentation in der Landesbibliothek

Einst waren innerhalb des Heinrich Schütz Musikfestes (HSM) die Heinrich Schütz Tage Dresden mit eigenen wissenschaftlichen Schwerpunkten integriert. So reichhaltig wie damals ist das Programm heute zwar nicht mehr, doch Quellenpräsentationen in den Räumen der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) gehören aber nach wie vor dazu. Das wird auch so bleiben, verriet Dr. Andrea Hammes von der Musikabteilung des Hauses am Donnerstag beim diesjährigen Termin zu »Schätzen der Dresdner Musikgeschichte«, die zum 350. Todestag eine Annäherung an (Marco) Giuseppe Peranda bereithielten.

Von Peranda bzw. seinen Ursprüngen ist nicht viel bekannt bzw. ist die Quellenlage unsicher. Aufgewachsen ist er vermutlich in Rom, wo er demnach seine Prägung erfahren haben muß. Kurfürst Johann Georg II. lernte ihn während einer Italienreise kennen und warb ihn für die Sächsische Hofkapelle an, in die er als Altist eintrat. Später wurde Peranda Vizekapellmeister und als Nachfolger von Vincenzo Albrici sogar Kapellmeister. Das war 1663 – Heinrich Schütz zählte damals bereits 78 Jahre und hatte sich weitgehend zurückgezogen, dennoch war er temporär Oberkapellmeister in Wolfenbüttel, kehrte immer wieder nach Dresden zurück und schrieb an seinem Alterswerk, den großen Passionen.

Begegnet sind sich Schütz und Peranda sicherlich, doch »die Zeiten«, sprich die Stile hatten sich seit Schütz‘ Anfängen in Dresden und seinen eigenen Besuchen in Italien erheblich gewandelt. Man darf nicht vergessen, daß der Sagittarius den italienischen Stil mit nach Dresden bzw. Deutschland gebracht hatte, mit seiner Musik auch für deutsche Texte einführte und den Stil der Italiener gegen deutsche Traditionalisten verteidigte.

Daß alle Theorie durchaus nicht grau ist, wissen regelmäßige Besucher der Veranstaltungen in der SLUB. Und so war auch diesmal mit Ercole Nisini ein Akteur anwesend, der nicht nur aus erster Hand, sondern von Ursprüngen erzählen konnte. Er war vor zehn Jahren bereits durch ein Projekt von Norbert Schuster und der Capella Sagittariana mit dem Werk von Giuseppe Peranda in Berührung gekommen – für Nisini war dies ein Auslöser. Interessant nicht zuletzt, weil es Texte gibt, die – mit entsprechendem zeitlichen Abstand – sowohl Schütz als auch Peranda vertont hatten, wie »Verley uns Frieden«. Schütz‘ frühbarocken Stil bezeichnete Ercole Nisini als »konkret«, während die Italiener des Spätbarock im Vergleich »wild, unruhig und pyrotechnisch« wirkten.

Zweimal »Verley uns Frieden«, zwei Generationen, zwei Stile, zwei Arten der Präsentation: Noten von Heinrich Schütz (links, gedruckt) und Giuseppe Peranda (rechts, handschriftlich), Photo: NMB

Gemeinsam mit Dr. Christoph Scheerer hatte Ercole Nisini nach anderen Werkpaaren und der Musik von Giuseppe Peranda geforscht. Dabei sind trotz der großen Fülle an Katalogeinträgen in der SLUB in beiden Fällen erhebliche Verluste zu beklagen, denn im Siebenjährigen Krieg ging die Sammlung des Sächsischen Hofes nahezu vollständig verloren. Ausnahmen sind selten, manches Werk kehrte jedoch »durch die Hintertür« zurück: Das Titelblatt von Perandas Fassung von »Verley uns Frieden«, in einer Abschrift in Berlin überliefert, kam Andrea Hammes bekannt vor. Und siehe da: in einer »Abschrift der Abschrift« des 19. Jahrhunderts lag das Werk doch noch (wieder) in Dresden vor. Solche Funde und Katalogkorrekturen ergeben sich nebenbei durch Projekte wie jenes von Ercole Nisini und Christoph Scheerer für das HSM.

Wer jetzt neugierig geworden ist, muß sich übrigens nicht ärgern, das eigentliche Konzert am Mittwoch vergangener Woche in Loschwitz verpaßt zu haben – am 30. und 31. Oktober erklingt es noch zweimal in Leipzig und Freiberg.

Die musikalischen Funde haben übrigens selbst die Sänger und Instrumentalisten erstmalig am Montag, zwei Tage vor der Aufführung (!) während der ersten Probe gehört! Zuvor war ein immenser Arbeitsaufwand am Schreibtisch nötig, denn Heinrich Schütz‘ weitsichtige Art, Drucke herauszugeben (weil er wußte, daß dies der korrekten Aufführung dient), war damals eine Ausnahme. Viele Werke sind in Handschriften oder in Drucken der Einzelstimmen überliefert. Eine Partitur für den Dirigenten mit allen Stimmen wurde erst später üblich. So hatte Ercole Nisini manchen Fehler zu tilgen, wenn er beim Erstellen der Partitur erkannte, daß sich eine korrekt scheinende Stimme im Verbund plötzlich zu einem unharmonischen Akkord führt und wohl ein historischer Abschreibfehler vorliegt.

Die Partitur (links) zu Giuseppe Perandas »Veni, Sancte Spiritus« mußte Ercole Nisini aus den Einzelstimmen der Sänger und Instrumente zusammensetzen (rechts). Photo: NMB

Immer etwas Neues also mit den alten Sachen – Andrea Hammes kündigte bereits an, daß es auch im kommenden Jahr den SLUB-Termin beim HSM geben werde.

10. Oktober 2025, Wolfram Quellmalz

Konzerttip: »Schütz & Peranda – Stilwechsel am Dresdner Hof«, Ensembles Ælbgut, Instrumenta Musica und La Rubina, 30. Oktober, 19:00 Uhr, Philippuskirche Leipzig, 31. Oktober, 17:00 Uhr, Dom St. Marien Freiberg

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