Ende einer Ära?

Beim Abschlußkonzert des Heinrich Schütz Musikfestes wurde die Intendantin Christina Siegfried verabschiedet

Das Abschlußkonzert des Heinrich Schütz Musikfestes (HSM) an einem der historischen Schütz-Orte hat in jedem Jahr einen feierlichen Charakter. Und ist noch einmal Gelegenheit für den jeweiligen Residenzkünstler, in diesem Jahr der Dirigent und Ensembleleiter Gregor Meyer, sich zu präsentieren. Andererseits will das Musikfest den Abschluß auch feiern sowie – und sei es in Form eines durch Musik getragenen Hoffnungsschimmers – einen Ausblick geben.

Am Sonntag stand Gregor Meyers viertes Programm im Rahmen des HSM, »Makrokosmos«, auf dem Programm in der St.-Marienkirche Weißenfels. Dazu übertrugen mit MDR Kultur, MDR Klassik und Deutschland Radio Kultur gleich drei Sender zeitversetzt. Was den Abend aber vielleicht noch mehr prägte, war die Verabschiedung von Christina Siegfried – die promovierte Musikwissenschaftlerin war 2009 Geschäftsführerin des MBM (Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e. V.) geworden, als der Verein in einer tiefen Krise steckte, wie sich Dr. Carsten Lange, Präsident des MBM, erinnerte. Doch binnen einer kurzen, intensiven Zeitspanne hatte Christina Siegfried mit Mut und Veränderungswillen eine Wende herbeigeführt. Die Verbindung von Wissenschaft und Praxis habe dabei ebenso im Mittelpunkt gestanden wie die Vernetzung der Schütz-Stätten, so Carsten Lange in seiner Laudatio. Ihr sei es gelungen, die Schätze des Mitteldeutschen Kulturraums hör- und sichtbar zu machen. Musikalisch gehörten die Tage der Mitteldeutschen Barockmusik, unMittelBARock! und das HSM dazu. Mit »strategischer Weitsicht« und »künstlerischer Intuition« habe Christina Siegfried ihre Formate entwickelt, was sich beim HSM, das aus den Mitteldeutschen Heinrich-Schütz-Tagen hervorgegangen war, am eindrucksvollsten zeigte, das in der Intendanz von Christina Siegfried mit den Partnern vor Ort zu einem Musikfest von internationaler Strahlkraft wurde.

Die Verbindung der Musik Heinrich Schütz‘ und seiner Zeit mit den brennenden Fragen unserer Zeit ist eine Kombination, die aus dieser Arbeit resultierte und auch im aktuellen Jahrgang Niederschlag fand. So gab die Klimawissenschaftlerin und Meteorologin Insa Thiele-Eich in vier Lektionen Impulse zur Bedeutung der Sonne für unser Leben, zum Klima und zum Blick auf die Erde »von außen« – Insa Thiele-Eich hatte an einem Vorbereitungsprogramm als Raumfahrerin teilgenommen und sich mit den verschiedenen Aspekten von Sternen, Klima und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung befaßt. Als einen Höhepunkt bezeichnete Carsten Lange das Internationale Schütz-Jahr 2022 mit einer sagenhaften Anzahl von über 25.000 Besuchern!

Die hölzerne Büste von Heinrich Schütz hat die Bildhauerin und Medailleurin Anna Franziska Schwarzbach geschaffen. Sie ist ein persönliches Geschenk der scheidenden Intendantin des HSM, Dr. Christina Siegfried, an den HSM-Partner Museum Schloß Moritzburg Zeitz, Photo: HSM, ©  Mathias Marx

Das Heliozentrische Weltbild, auf das sich Insa Thiele-Eich bezog, hatte sich zur Zeit von Heinrich Schütz bereits durchgesetzt. Die Auseinandersetzung damit und die »Position« des eigenen Lebens sowie der Platz Gottes darin hielt aber an, was sich in manchen Werken spiegelte, die zuvor in der Lektion genannten Gedanken aufzugreifen schienen. Dazu gehörte Heinrich Schütz‘ »Die Himmel erzählen die Ehre Gottes« (Geistliche Chormusik SWV 386), »Himmel und Erde« standen immer wieder im Mittelpunkt (Kleines Geistliches Konzert SWV 300), in der Vertonung von Psalm 136 noch um den Mond ergänzt.

Im Kern überwog der musikalische Gehalt des Abschlußkonzerts, das mit Kompositionen von Heinrich Schütz begann, die zu Beginn und am Ende des Dreißigjährigen Krieges entstanden waren: »Alleluja! Lobet den Herrn« (SWV 38) stimmte noch einen mitreißenden Jubel an, das fast drei Jahrzehnte später geschriebene »Also hat Gott die Welt geliebet« (SWV 380) atmete einen deutlich innigeren, resümierenden Ton – vom Ensemble 1684 und den Mitgliedern des GewandhausChores wunderbar »getroffen«. Die lebhafte Auseinandersetzung mit Himmel, Erde, Gott und den Gestirnen wurde immer wieder von Solisten bestritten, wie den Bässen Tobias Ay und Philipp Goldmann, die mit Basso continuo und später Violine »Vom Aufgang der Sonnen« (SWV 362) berichteten. Johann Rosenmüller sorgte mit »Entsetze dich, Natur« und »Preise, Jerusalem, den Herrn« für ein Gegengewicht zu Heinrich Schütz, bei dem unter vielen vokalen wie instrumentalen Soli Susanne Langers wohlgestalteter Alt besonders auffiel.

Abschlußkonzert des HSM in der St.-Marienkirche Weißenfels mit dem Ensemble 1684, Mitgliedern des GewandhausChores, Solisten sowie Gregor Meyer (Musikalische Leitung), Photo: HSM, ©  Mathias Marx

Trotzdem waren es weniger die Auffälligkeiten oder herausragende Einzelleistungen, die das Konzert prägten. Vielmehr lag der Wert gerade darin, daß Gregor Meyer Solisten, Chor und Instrumentalensemble sehr homogen und im Ausdruck den Worten gemäß fügte. Wer mag, kann sich davon überzeugen – MDR und DLF wollen das Konzert in die Audiothek stellen.

Christina Siegfried sprach in Weißenfels noch einmal von dem faszinierenden Kosmos Heinrich Schütz‘, der sie ihr ganzes Leben begleitet habe. Musik existiere nicht in einem »historischen Außerhalb«, sondern gehe uns an – sie konstituiere zum Beispiel Sichten auf die Welt. In diesem Sinne als Akteurin tätig gewesen sein zu können, darauf sei sie stolz – und dankte sogleich den Förderern und Partnern bei dieser Arbeit. Am 6. November wird Christina Siegfried noch einmal beim Konzert zu Schütz‘ Todestag in Dresden zu erleben sein (19:00 Uhr, Loschwitzer Kirche).

13. Oktober 2025, Wolfram Quellmalz

Wir fanden den Konzertmittschnitt mittlerweile bei DLF Kultur: https://www.deutschlandfunkkultur.de/programm?drsearch:date=2025-10-12

Das Heinrich Schütz Musikfest findet im kommenden Jahr unter dem Titel »Spurensuche – Anstoß und Aufbruch« vom 2. bis 11. Oktober statt. Residenzkünstler wird das Solistische Vokalensemble The Present sein.

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