Barockes Gipfeltreffen auf Freibergs Silbermann-Orgeln

Deutsche und französische Musik zum Kulturhauptstadtjahr

Die Abendmusiken im Freiberger Dom St. Marien fanden in diesem Jahr in Kooperation mit der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz statt, weshalb besonders viele europäische Domorganisten eingeladen waren. Am Donnerstag endete die Saison mit einem Besuch von Stephan Leuthold.

Der Bremer Domorganist hatte im Juli bereits eine beeindruckende Visitenkarte in der Dresdner Hofkirche abgegeben. Für den Freiberger Besuch überarbeitete Stephan Leuthold sein Programm noch einmal, nicht zuletzt, weil hier darum gebeten wird – was einer Pflicht gleichkommt – an beiden Silbermann-Orgeln des Doms zu spielen. So gab es manches Wiederhören, aber auch neu eingefügte Stücke.

Eröffnen durfte an der kleinen Silbermann-Orgel diesmal Dieterich Buxtehudes Praeludium ex g (BuxWV 163), das in fallenden Motiven einem Sternenfunkeln glich. Wenn schon dieses Abwärts aufbauend klang, so tönten die beiden glitzernden Fugen, die das Praeludium birgt, nicht minder!

Stephan Leuthold, Photo: © sagmalspaghetti (Stephan Leuthold)

Wie in Dresden phantasierte Stephan Leuthold anschließend über den Choral »Was Gott tut, das ist wohlgetan«. Allerdings entstand dabei trotz mancher Ähnlichkeiten ein neues Werk, wie es sich bei einer Improvisation gehört. Auf der kleinen Orgel traten die Liedzeilen vielleicht noch stärker in den Vordergrund, wie in der besonders singenden Allemande. In acht Abschnitten nach barockem Schnittmuster durchschritt Stephan Leuthold den Choral, der einmal rhythmisch prägnanter (Nr. 2: Courante) schien, dann mit vielen Oberstimmen (Nr. 3: Sarabande mit Flöten) ausgestattet war, sich aber auch einmal Bachs Form des Capriccio (Nr. 4: Gavotte) näherte. Die beiden Menuette spielten mit mehr gedeckten (Nr. 5) bzw. offenen Klängen (Nr. 6). Höhepunkt war wie in Dresden die abschließende Gigue-Fugue, die als Konklusion auf den Choral, der immer wieder durchgeschimmert hatte, zurückkam und einen glänzenden Schlußpunkt setzte.

Georg Muffats vielteilige Toccata settima bildete das Ende der ersten Konzerthälfte, wobei erneut Liedzeilen eingeschlossen schienen, besonders im zweiten Abschnitt. Danach spielten leichte Bläserregister mit einem Aufwind, bevor erst dunkle, warme Klänge auch diese Qualität der kleinen Silbermann-Orgel vorführten und eine absteigende Fuge zeigte, wie herrlich ein »Abwärts« klingen kann! Für den wirklichen Schluß nutzten Georg Muffat bzw. Stephan Leuthold dennoch den Schwung eines aufstrebenden Motivs.

Louis Marchands Grande Dialogue C-Dur an der großen Silbermann-Orgel bedeutete danach nicht nur eine Umstellung, sondern schien im direkten Vergleich sogar ziemlich grell. Die kräftigen, silbermann-typischen Töne blieben bestimmend und statteten später noch Johann Sebastian Bachs Schlußstücke aus. Bei Marchand ergab sich zunächst ein imposanter Wechselgesang der Register, der Echokommentare einschloß, einmal mahnend leiser wurde, dann wieder einem hellen Licht zustrebte.

Die Klangsprache von Jean-François Dandrieus Magnificat III g-Moll war eine vollkommen andere, wurde nicht nur vom kantablen Charakter geprägt, sondern begann mit einem farbigen Akkord – was für eine Überraschung nach der sich stets steigernden Ornamentik!

Diese Farbigkeit, welche jetzt die Konturschärfe überwog, war geradezu berauschend. Trotzdem konnte man manches wiederentdecken, wie den Umgang mit gedeckteren und offeneren Klängen (Sätze Duo und Trio). Doch auch Dandrieu blieb seinen Zuhörern keine Konturen schuldig – im abschließenden Dialogue mit Trompetenregistern führte Stephan Leuthold vor, wie sich weiche Farben und kräftiges Licht musikalisch kombinieren lassen.

Übergang und »Vermittler« nach diesem letzten französischen Beitrag war Maurice Duruflé. Er hatte den Choral »Ertödt uns durch dein Güte, erweck uns durch dein’ Gnad« aus Johann Sebastian Bachs Kantate »Jesus nahm zu sich die Zwölfe« (BWV 22) für Orgel bearbeitet. In der Kombination von Orchester- und Singstimmen hatte Stephan Leuthold Register gewählt, die eine regelrechte Symbiose erlaubten – einerseits klar zu unterscheiden, dennoch innig verbunden.

Mit dem Praeludium con Fuga in C (BWV 566a) beschloß der Bremer Domorganist geradezu hymnisch nicht nur einen überzeugenden Vortrag, sondern ebenso die Freiberger Dommusiken für dieses Jahr.

17. Oktober 2025, Wolfram Quellmalz

In den Wintermonaten gibt es besondere Konzerttermine im Freiberger Dom. Als nächstes erklingt am 15. November (17:00 Uhr) Johannes Brahms‘ Eindeutsches Requiem mit Marie Hänsel (Sopran) und Daniel Ochoa (Baß), Leitung: Domkantor Albrecht Koch

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