Dresdner Orgelzyklus schloß mit einem »plus Tanz und Illumination«
Wie in jedem Jahr endete der Dresdner Orgelzyklus am Mittwoch nach dem 1. Advent mit einem »Orgel plus« in der Kreuzkirche. Kreuzorganist Holger Gehring hatte, nicht zum ersten Mal, die Ausdruckstänzerinnen Sabine Jordan und Antje Börner zu einem gemeinsamen Abend überredet. Michael Neumann spendierte dazu Illuminationen.
Im Vorgespräch »Unter der Stehlampe« erfuhr man diesmal, wie die beiden Tänzerinnen zu ihrem Beruf gekommen sind und wie sie ihn heute ausüben. Obwohl sie beide nicht wirklich für klassisches Ballett »brannten«, sind die erlernten Figuren, Körperbeherrschung und Disziplin eine wesentliche Grundlage beim Ausdruckstanz. Anders als beim Ballett, das mit äußerster Präzision einer vorherbestimmten Choreographie folgt, steht bei ihnen jedoch das im Mittelpunkt, was das Wort sagt: Ausdruck. Einen exakt vorbestimmten Bewegungsablauf gibt es also nicht, allerdings durchaus ein Konzept, was schon wegen der Länge der Stücke notwendig ist sowie bei Abenden wie diesem der Abstimmung mit der Tanzpartnerin dient. Die wesentliche Ausdruckskraft soll spontan wirken, entsprechend improvisierten Sabine Jordan und Antje Börner – der Abend gestaltete sich also anders als die Probe und als sich eine Wiederholung darstellen würde.

In der Kombination mit der Musik und den Illuminationen von Michael Neumann wirkte dies erstaunlich unaufdringlich und unaufgeregt, was nicht nur an den fast lautlosen Bewegungen lag, sondern ebenso am Anlaß, denn der Advent hatte sich in der Musikauswahl von Holger Gehring niedergeschlagen. Die Bewegungen der beiden Künstlerinnen waren in der Regel fließend, einzeln, abwechselnd oder paarweise – dann natürlich nicht synchron, dennoch symbiotisch. Die Gesten blieben unaufdringlich und befreiten die Zuhörer davon, einen Zusammenhang zwischen Tanz und Musik herstellen oder gar eine Symbolik deuten zu müssen – entdecken konnte man natürlich, oft gebende (darbietende) oder vermittelnde Posen. Auch die Farbigkeit des Lichts blieb unaufdringlich, da Michael Neumann auf hektische Wechsel verzichtete und der Schimmer immer wieder die dunklen Kleider und Gewänder rot, grün oder blau schimmern ließ.
Holger Gehring hatte sich für Musik entschieden, die einer adventlichen Liturgie entnommen oder auf Choräle bezogen war. Mit Jeanne Demessieux‘ melodiös fließendem Präludium Choral orné über das gregorianische Thema »Rorate caeli« (»Taut, ihr Himmel, von oben«) stand zu Beginn gleich eine Entdeckung auf dem Programm. Es gehört ebenso in die Adventszeit wie die Préludes à l’Introït Opus 25 von Paul de Maleingreau. In drei Stufen wurden die Präludien zur Christnacht, zur Christmette und für den Festgottesdienst mit sich gegenüberstehenden Melodiebögen immer offener und heller.

Bei Jean Langlais‘ Noël Breton (Bretonisches Weihnachtslied) schien sich die große Jehmlich-Orgel in ein kleineres und älteres Instrument zu verwandeln. Den zauberhaften Gesang unterstrichen hier die Farb- und Bewegungsspiele der Tänzerinnen im Licht besonders. Für Paul de Maleingreaus L’Adoration mystique (Mystische Anbetung aus der Symphonie de Noël / Weihnachtssinfonie) hatte Michael Neumann ein Grün des Lebens gewählt, vor dessen Hintergrund die Tänzerinnen immer wieder wechselten. Musik und Bewegungen schienen zur Ruhe zu finden.

Darius Milhauds Pastorale Opus 229 verband eine erzählerische Stimme mit pastoraler Stimmung, schien dabei konzentriert oder – vor allem im Hinblick auf das folgende Werk – schlichter. Natürlich war die Symphonie gothique von Charles-Marie Widor nicht nur ein krönender Abschluß und das umfangreichste Werk des Abends, sondern jenes, das hinsichtlich seiner Expressivität in Musik und Tanz am meisten einnahm. Dreiecks- und Umhangtücher waren nur die Ingredienzen, die den Eindruck verstärkten, vor allem entwickelte Widors Musik eine bannende Kraft, welche den Tanz einzubinden, aufzusaugen schien. Der beeindruckendste Teil lag sicher in der Musik, die auch ohne Illumination viele Lichtfarben und chromatische Läufe enthält. Tiefempfunden und voller Spannung war der Gegensatz des Mittelteils aus Andante und Allegro, bevor die Variationen über den Weihnachtsintroitus »Puer natus est nobis« (Ein Kind ist uns geboren) die Ruhe des gregorianischen Gesangs ebenso einschlossen wie hymnischen Gesang.
4. Dezember 2025, Wolfram Quellmalz
Im Dresdner Orgelzyklus werden 2026 neben den drei Hauptorganisten wieder viele interessante Gäste, darunter Olivier Latry, erwartet. Frauenkirchenkantor Matthias Grünert gestaltet am 25. Februar den Auftakt in der Frauenkirche mit der »Klangwelt der deutschen Romantik«. Ein ausführlicher Ausblick erscheint rechtzeitig.