Brahms‘ Wucht und Prokofjews Tanz

Emmanuel Tjeknavorian und Francesco Piemontesi bei der Dresdner Philharmonie

Am Wochenende kehrte der ehemalige Residenzkünstler Francesco Piemontesi zur Dresdner Philharmonie zurück; aber auch Emmanuel Tjeknavorian ist in Dresden kein Unbekannter. Bisher war er mit seiner Violine zu Gast, jetzt trat er als Dirigent auf, worauf sich Emmanuel Tjeknavorian seit einiger Zeit konzentriert.

Johannes Brahms‘ Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll mit kräftigen Anfangsakkorden, die sich aber mit der Stimme des Klaviers verbanden, beeindruckt schon mit seiner schieren Größe und sinfonischen Geste. Solist und Orchester gelang eine differenzierte Wiedergabe, welche dem Reichtum des Klangs auch die Poetik der Kadenzen gegenüberstellte. Francesco Piemontesi streute diese beiläufig ein, als seien es weitere Intermezzi von Johannes Brahms. Immer wieder sublimierten sich kammermusikalische Duos mit den Hörnern, mit Konzertmeister Wolfgang Hentrich oder weiteren Bläsern wie der Klarinette – das erinnerte durchaus an Brahms‘ charmantes Trio für Horn, Violine und Klavier (Opus 40).

Grübler und feinsinniger Interpret: Francesco Piemontesi, Photo: © Camille Blake

Francesco Piemontesi steuerte nicht nur den Klang des Flügels bei, sondern sorgte für Prägnanz und Konturen und schien die Leitung nicht unwesentlich zu übernehmen, während die weit ausholenden Gesten von Emmanuel Tjeknavorian illustrativ und wenig vermittelnd blieben. Das Adagio formten Piemontesi und die Philharmoniker schlank, als sei es eine Serenade, bevor Francesco Piemontesi im dritten Satz unwiderstehlich davonzog, zwischen hellen Blechbläsern mit perlenden Läufen ein frohes Lied anzustimmen schien.

Brahms‘ Klavierkonzerte sind absolute Gipfel der Literatur – was schließt man dem an? Der Pianist aus dem Tessin enzschied sich für ein Intermezzo / Andante aus Johannes Brahms‘ Klavierstücken Opus 117 (Nr. 1), eine der letzten Kompositionen, ein paar der letzten in Noten gefaßten Gedanken von Johannes Brahms, vorsichtig und andächtig im abgedunkelten Saal präsentiert.

Die »ordnende Komponente« Piemontesi fehlte vielleicht im zweiten Programmteil, in dem Emmanuel Tjeknavorian eine eigene Auswahl von Sätzen aus Sergei Prokofjews Ballett »Romeo und Julia« zu einer Suite zusammengestellt hatte. Dabei bewogen ihn offenbar rein musikalische Aspekte, zumindest chronologisch im Sinne einer Erzählung der Geschichte von Romeo und Julia in Ausschnitten, ging er nicht vor. Statt solcher Nacherzählung lag ihm wohl eher im Sinn, manche Motive und deren Verflechtungen zu entdecken, wie den »Tanz der Ritter«, den man abgewandelt mehrfach wiederfand. Auch betonte Tjeknavorian rhythmische Verläufe, die sich dem Jazz näherten (»Maskentanz«). Insgesamt jedoch schien seine Geste weiterhin oft stark übertrieben, als wolle er (für das Publikum) das darstellen, was die Musik beschreibt, statt dem Orchester eine Vorgabe zu machen.

Dennoch schien dies, zumindest auf Seiten der Dresdner Philharmonie,  inspirierend oder funktionierte schlicht zwischen den Musikern, deren einer der preisgekrönte Violinist Emmanuel Tjeknavorian schließlich ist. Insofern ergab sich eine gemeinsame Interpretation der Einigkeit, hinsichtlich einer pointierten und ausdrucksstärkeren Aufführung darf beim nächsten Mal gerne nachgebessert werden.

8. Dezember 2025, Wolfram Quellmalz

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