Postludium in C

Neues Klaviertrio Dresden präsentierte Chemnitzer Werke

Wien, Leipzig, London oder New York sind historische Musikmetropolen, auch Berlin und Dresden selbstverständlich. Aber da war doch noch ein Kulturhauptstadtjahr – eben ging es zu Ende. Nun gab es einen Nachklang im Chemnitzer Ton. An drei Orten, zwar nicht in New York, aber Berlin, Chemnitz und Dresden, spielte das Neue Klaviertrio Dresden sechs Werke von Komponisten, die in Chemnitz (bzw. Karl-Marx-Stadt) geboren wurden, deren Werke aber noch andere Chemnitz-Bezüge aufwiesen. Hear the unheard (Höre das ungehörte) also analog zu »C [für »see«] the unseen« (Sieh das ungesehene), dem Motto des Kulturhauptstadtjahres?

Vielleicht. Vielleicht mag der eine oder andere darin sogar einen »Chemnitzer Ton« entdeckt haben, wie die gebürtige Chemnitzerin Uta-Maria Lempert (Violine) am Donnerstag vergangener Woche in den Klemperer-Saal der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) stellte. Das Trio mit Clemens Hund-Göschel (Klavier) und dem neu dazu gestoßenen Miguel Blanco-Puente (Violoncello) präsentierte sechs Werke, zwei Klassiker und vier aktuelle Stücke, zwei davon als Uraufführungen von Auftragswerken.

Das Neue Klaviertrio Dresden bei der Aufführung in der SLUB, Photo: NMB

Friedrich Goldmann gehörte mit seinem Klaviertrio in zwei Sätzen, 1978 entstanden, zu den Klassikern. Mit wippenden Figuren, repetierenden Tönen und einer dynamischen Beweglichkeit, vom Klavier in einer plötzlichen Beschleunigung ausgelöst, erschien der daraus vorgetragene erste Satz nach wie vor frisch. In kurzer Zeit und vermeintlich kleinem tonalen Raum durchschritt das Neue Klaviertrio Dresden konzertante Weiten, ohne komprimiert oder »gepreßt« zu erscheinen. Ob Sforzato, Effekte der Dämpfung, eines Echos, das sich einstellten, wenn die Streicher Passagen leiser fortführten, oder plötzlicher rhythmischer Betonung das Klaviertrio blieb ein modernes Werk aus der Stadt der Moderne.

Malin Bång hatte mit seinem 2023 entstandenen Stück »Kaolin« die Vielschichtigkeit des gleichnamigen Minerals erkundet und dies in schleifenden, reibenden, rauhen Klängen umgesetzt, die ein Pochen einschlossen. Auch bei ihr traten minimale Intervalle (Wippen) zutage.

Ekkehard Klemm war in den letzten Jahren (und ist es zum Teil noch immer) vor allem als Dirigent und Hochschulprofessor für Dirigieren zu erleben. Sein Auftragswerk »Visions & Memories« (2025) dürfte für einige die Erstbegegnung mit dem Komponisten Klemm gewesen sein. Vor allem die Ecksätze konnten überzeugen, da sie – mit Pochen und Hall – einen »Chemnitzer Ton« darstellten, der eine geschäftige Industriestadt assoziieren lassen konnte. Auch eine eingeschlossene Textpassage aus Stefan Heyms »AHASHVER« (»Bereust Du?« »Nein …«), von den beiden Streichern vorgelesen, am Ende mit vertauschten Rollen, baute eine Konzentration auf. In Intermezzi hatte Ekkehard Klemm dazwischen Erinnerungen an Menschen und musikalische Begebenheiten eingeschlossen. Dabei vermischten sich formelle Aspekte (Andante, Scherzo) mit Zitaten bis Puccini und Wagner, welche in der Fülle etwas »gestreut« bzw. wie ein Potpourri schienen. Der Unterschied, dies »frontal« zu hören, also einfach als Werk zur Kenntnis zu nehmen, oder die Absicht des Autors aus dem Programmheft zu kennen, war doch groß.

Die vielleicht stärkste Spannung barg das Klaviertrio in einem Satz von Rainer Kunad, das mit einer effektvollen Eröffnung (Klavierakkord) beginnt und die Stimmen im Duo und Trio eng verknüpft. Die vielen Wandlungen der Erscheinung blieben kammermusikalisch, fast sinfonisch umschlossen.

Mit »Gute Geister« von Torsten Reitz stand das zweite Auftragswerk auf dem Programm. Hier war das Neue Klaviertrio Dresden nur ein Teil der Aufführung, denn der andere kam, ausgelöst vom Pianisten, vom Band – das Stimmen eines Orchesters, Tischtennisgeräusche, ein Aufheulen, das Tier, Auto oder die Imitation von einem sein konnte …

Vielleicht gehören Konzentration und Geräusche prägend zu den Chemnitzer Klängen, denn auch bei Torsten Reitz waren Pochen, ein flächiger Klang oder einzeln ausgelöste Töne wesentlich.

Den Abschluß bildete »īn nīz bogzarad« (»This too shall pass«) für Klaviertrio von Jonas Otte. Noch ein Werk, das erst in diesem Jahr entstanden bzw. fertiggestellt wurde. Es unterschied sich vor allem durch seine Dynamik (anschwellende Pegel und Beschleunigung) von den zuvor gehörten.

Das Neue Klaviertrio Dresden mit den beteiligten Auftagskomponisten Torsten Reitz (links) und Ekkehard Klemm (rechts), Photo: NMB

Der Aufführungsort der SLUB war nicht zufällig gewählt, denn die aufgeführten Werke gehören teilweise bereits zum Musikkatalog. Darüber hinaus hatten die Beteiligten den Anlaß nicht nur als drei Konzerte wahrgenommen, sondern als kreatives Projekt mit vielen Unterstützern, wofür sich Uta-Maria Lempert noch einmal bedankte.

5. Dezember 2025, Wolfram Quellmalz

Nächster Musikanlaß in der SLUB: »Auf der Suche nach der besseren Welt« (zu Reiner Bredemeyers Oper »Candide«), 15. Januar, 19:00 Uhr

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