Passion – nicht Pathos

Der siebente Jahrgang der Musikbrücke Prag-Dresden ging mit dem Neujahrskonzert in der Dresdner Annenkirche am Donnerstag zu Ende. Das Collegium 1704 und Collegium Vocale 1704 unter der Leitung von Václav Luks waren dafür in großer Formation angereist. Mit dabei auch wieder Hana Blažíková – sehr zur Freude des Publikums, denn die internationale Karierre der Sopranistin hat längst an Fahrt gewonnen und mancher mochte schon befürchtet haben, sie nur noch selten oder vielleicht gar nicht mehr mit den Prager Musikern zu hören. Auch Alena Hellerová, die vor Monatsfrist als Solosopranistin zum Adventskonzert begeisterte, war wieder zu erleben. Wie alle Solisten des Abends waren beide gleichermaßen Mitglieder des Chores. Auch das gehört zum Wesen der beiden Collegia: jeder hat hier die Qualitäten eines Solisten, doch niemand tritt einzeln hervor, sondern es ist ein inniges und freudiges miteinander beim Musizieren, das sich auch auf das Publikum überträgt.

Zum Jahreswechsel standen diesmal zwei in Umfang und Besetzung große Werke Georg Friedrich Händels auf dem Programm: sein Utrecht Te Deum sowie das Dixit Dominus. (Letzteres wurde übrigens zur gleichen Zeit in der Berliner Philharmonie vom RIAS Kammerchor und der Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung des Dresden, Vaclav Luks und dem Collegium 1704 verbundenen Hans Christoph Rademann aufgeführt, aber das nur nebenbei.) Zwei Mal also ein Lobgesang, beides mit festlichem Charakter. Václav Luks animierte seine Musiker, ihre ohnehin lebenssprühende Spielweise noch um zahlreiche Stimmungs- und Gefühlsschattierungen zu ergänzen. Begann zum Beispiel das Utrecht Te Deum hymnisch mit dem gesamten Ensemble, folgte schon bald eine Abstufung von Soli, Tutti und Orchesterbegleitung. Gleich das in den Bässen beginnenden »To Thee all Angels cry aloud« (»Dir rufen die Engel alle«) war voller Kontraste und Steigerungen, aber auch weitere Gegenüberstellungen der Stimmen (zwei Soprane) oder Instrumente (Orgel – Trompete) wurden prächtig gestaltet.

Im zweiten Werk des Abends war dies sogar noch stärker zu erleben, etwa, wenn die Streicher mehrfach bis in die Unhörbarkeit absanken, ohne dabei an Homogenität einzubüßen, wenn sie andererseits aber (»Er wird richten… Er wird häufen die Toten. Er wird zerschmettern das Haupt…«) die Stimmung aufpeitschten. Von berührender Schlichtheit geriet das »Virgam virtutis« mit Kamila Mazalová (Alt) und Basso-continuo-Begleitung (Orgel, Celli, Gitarrone) oder das himmlische Duett »De torrente in via bibet« mit den Sopranistinnen Hana Blažíková und Alena Hellerová.

Jubel und Füßestampfen kennt man bei den Konzerten der Musikbrücke Prag-Dresden schon lang. Diesmal gab es auch stehende Ovationen. Da ließen sich die Musiker zu einer Zugabe überreden – noch einmal von Händel. Der berühmte »Halleluja«-Chor strahlte in den samtenen Klangfarben des Collegiums 1704. Innerlich, ganz schlicht auch hier, fast wie gesagt und nicht gesungen. Wo der Jubel sonst laut herausgerufen und manchmal zum Schrei gesteigert wird, genügte die Zuversicht und Freude des Gedankens, das innere Glühen – wie so oft beim Collegium 1704: Passion, kein Pathos.

2. Januar 2015, Wolfram Quellmalz

Das nächste Konzert findet am 30 Januar 2015 wiederum in der Annenkirche statt.

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