Oder: Der kluge Hamster kauft nicht ein, er leiht aus
Die Corona-Pandemie hat nicht nur das öffentliche und kulturelle Leben Deutschlands, ja der ganzen Welt lahmgelegt, sie schränkt auch die Wirkungsmöglichkeit und die Lebensgrundlage der Neuen (musikalischen) Blätter stark ein. Wir werden in den kommenden Wochen viel weniger berichten können, versuchen aber, dies zumindest teilweise auszugleichen, zum Beispiel mit mehr Buch- und CD-Empfehlungen. Die Vorproduktion unseres Frühjahrsheftes (Ausgabe 36) hat längst begonnen, doch es wird wohl etwas schmaler werden als üblich.
Kultur ist kein überflüssiger, nicht lebensnotwendiger Luxus, sondern eine Bereicherung des täglichen Lebens. Das kulturelle Bedürfnis zu befriedigen ist eine Notwendigkeit und ein schöpferischer Akt (selbst dann, wenn sie strenggenommen nachschöpfend stattfindet). Insofern sollten wir die wenigen Möglichkeiten, die sich uns derzeit bieten, annehmen. Bücher, Schallplatten und ähnliches sind eine »ungefährliche« Alternative bzw. Genußmöglichkeit. Offenbar eine, die viele Menschen aufgreifen, wie ich vorgestern erleben durfte: Die Absage der Leipziger Buchmesse war für uns ein schmerzlicher Einschnitt, der Verlust läßt sich durch bestehende Kontakte und den Einblick in Kataloge nicht vollständig ausgleichen. So waren (und sind) wir bemüht, diesen anderswo zu finden und wollten am Freitagnachmittag eine Lesung slowakischer Literatur im Dresdner Kulturpalast erleben, welcher neben der Dresdner Philharmonie und dem Kabarett Herkuleskeule auch die Städtische Bibliothek beherbergt. Letztlich fiel die Lesung doch aus, darüber hinaus hatte die Einrichtung (ebenso die Universitäts- und Landesbibliothek Dresden) kurz nach dem Mittag verkündet, ab Sonnabend geschlossen zu bleiben. So waren in den Foyers des Kulturpalastes Menschen zu erleben, die mit ganzen Stapeln ausgeliehener Bücher, CDs und Spiele für die kommenden Wochen vorsorgten – eine niveauvolle Hamsterei!
Auf meinen Wegen komme ich täglich auch an öffentlichen Parks und Blumenrabatten vorbei, welche zwei- oder mehrmals im Jahr neu bepflanzt werden. Über den Winter liegen die Beete meist kahl, doch im Februar beginnen die vergessenen Tulpen- und Narzissenzwiebeln der vorjährigen Besetzung neu zu sprießen. Unregelmäßig, hier und da, schauen sie aus der Erde. Bis vorgestern. Denn offenbar hat jemand begonnen, die Beete für die neue Frühjahrsbepflanzung zu bereinigen und vorzubereiten. In weniger als einer Woche feiern wir den Frühlingsanfang – haben Sie schon einen Plan, wie sie ihn feiern? Das sollten Sie, also machen Sie einen!
15. März 2020, Wolfram Quellmalz