Temperament trifft Erfahrung

Violinistin María Dueñas und Herbert Blomstedt sorgen bei den Dresdner Musikfestspielen für einen fruchtbaren Austausch

Nur wenige Wochen nach seinem Besuch bei der Sächsischen Staatskapelle kehrte Herbert Blomstedt erneut nach Dresden zurück – diesmal mit dem Chamber Orchestra of Europe und zu den Dresdner Musikfestspielen. Den Kulturpalast kennt der Dirigenten bereits gut – 2017 eröffnete er hier mit dem Leipziger Gewandhausorchester den Reigen der Palastkonzerte. Damals stand neben Robert Schumann (Konzertstück für vier Hörner) Felix Mendelssohns »Lobgesang« auf dem Programm der denkwürdigen Aufführung.

Mendelssohn gehörte diesmal, anders als ursprünglich geplant, der ganze Vormittag. Denn eigentlich hätte María Dueñas Ludwig van Beethovens Violinkonzert Opus 61 spielen sollen, allerdings hatte sie damit bereits vor zwei Jahren an gleicher Stelle ihr Debüt gefeiert (Konzert mit der Dresdner Philharmonie unter Marek Janowski, NMB berichteten). Beide Künstler hatten sich nun für eine Änderung und Mendelssohns zweites Violinkonzert entschieden, auch wenn Beethoven gerade auf die Debut-CD von María Dueñas gebannt wurde.

Agil wie eh und je: Herbert Blomstedt dirigiert das Chamber Orchestra of Europe, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Oliver Killig

María Dueñas nahm das e-Moll-Werk nicht nur beherzt, sondern spürte ihm ausgesprochen emotional nach, entlockte der romantischen Kantabilität mit teils feurigem Vibrato eine ungeahnte Verve. Das überraschte und war in der Dauererregung de facto vielleicht etwas viel, andererseits überzeugte es mit seiner musikalischen Impulsivität und der Spontanität der Partnerschaft, denn Herbert Blomstedt, ohnehin erfahren in der Jugendarbeit (er spielt mit vielen Nachwuchsmusikern zusammen, nicht nur dem Gustav Mahler Jugendorchester), gab der Solistin mit dem Orchester einen entsprechenden Widerhall – die Bläser fanden zu vergleichbarer Emotionalität, auch der Klang der Streicher, eben als Kammer- und nicht als großes Sinfonieorchester, nahm den gestalterischen Ansatz auf und gab mehr wieder als nur einen Hintergrund oder eine instrumentale Umrahmung der Solistin. Ein wenig schade, daß sie sich trotz langen Applauses nicht zu einer Zugabe entschloß.

Mit Felix Mendelssohns Sinfonie Nr. 3, die »Schottische«, klang es nach der Pause weniger aufgewühlt, deutlich differenzierter und ruhiger aufgebaut, was aber nicht verhinderte, daß sich auch hier Wellen, Wogen und Wolken aufzutürmen schienen – schottisch vielleicht? In manchem mag dies eine malerische Deutung sein, anderes, wie die nur leicht versteckte Dudelsack-Imitation, weisen landestypische Bezüge klarer aus. Herbert Blomstedt verleitete das Orchester zu einer konturierten Sanftheit, die im Violinkonzert noch nicht möglich gewesen war, schöpfte aber auch die mannigfaltigen Farbreize der Bläser vielfach aus. Klarinettist Richard Hosford, der darin besonders begeisterte, sei hier stellvertretend für viele Kollegen genannt. Während er sich oft subtil »einmischte«, spielten Oboen, Flöten und Blechbläser ihre führenden Rollen vital aus – immer auf Augenhöhe mit einem Gegenüber im Orchester.

Letztlich war es diese Vitalität, die Herbert Blomstedt entfachte, die musikalische Sinnigkeit, die beglückte und den Wunsch, davon mehr zu erfahren, entfachte. Vielleicht in einem Palastkonzert, oder sollen wir ein Jahr auf die nächsten Musikfestspiele warten?

28. Mai 2023, Wolfram Quellmalz

Maria Duenas (Violine), Wiener Symphoniker, Manfred Honeck (Dirigent) »Beethoven and beyond«, Ludwig van Beethoven: Violinkonzert Opus 61, außerdem: Sinfonia concertante Nr. 1 für Violine, Harfe und Orchester von Louis Spohr, Berceuse Opus 20 von Eugene Ysaÿe, Havanaise Opus 83 von Camille Saint-Saëns und anderes, 2 CDs oder 2 LPs, erschienen bei Deutsche Grammophon

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