Familientreffen

Ausverkauftes Haus für Anne-Sophie Mutter und ihre Virtuosi

Die Ausnahmegeigerin ist nach wie vor ein Zuschauermagnet. Ende des Monats feiert Anne-Sophie Mutter einen runden Geburtstag, dann erscheint auch der Dokumentarfilm »Vivace«. Die ersten Exemplare gab es am Donnerstag vorab schon im Kulturpalast.

Diesmal kam Anne-Sophie Mutter mit dem eigenen Kammerorchester, Mutter‘s Virtuosi. Darunter fanden sich manche bekannte Namen – Timothy Chooi und Matthew Lipman kennen zum Beispiel Besucher des Moritzburg Festivals, sie gehören sozusagen zur Familie. Insgesamt vierzehn Musiker umgaben die Mutter, viele davon Stipendiaten, denen die Anne-Sophie Mutter Stiftung ein hochwertiges Instrument zur Verfügung stellt.

Der Familienverbund schien genau aufeinander abgestimmt, alle zogen – bis hin zu Antonio Vivaldis Concerto für drei Violinen, Streichorchester und Basso continuo F-Dur (RV 551) – an einem Strang. Immer im Vordergrund stand natürlich – nicht nur optisch als einziger Farbtupfer im Einheitsschwarz – die Virtuosin.

Sie spielte und leitete – weil sie es kann? Bald wird klar: auch Bach klingt bei Anne-Sophie Mutter sehr nach Vivaldi. Eine Trennung von Dirigat und Solistin hätte dies vermeiden können. Das Gleichmaß, die fehlende rhythmische Prägnanz minderte den Reiz der Musik, so die Struktur nicht, wie in Johann Sebastian Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 3, durch den versetzten Einsatz der Streicher oder den Kontrast zwischen Soli und Basso Continuo vorgegeben war. Auch die Wahl der Tempi trug wenig zur Belebung bei: während in vielen der schnellen Sätze die Rasanz über die Brillanz ging, weshalb Klang und Tonalität an Glanz verloren, waren viele langsame Sätze etwas übermäßig gedehnt und ausgekostet.

Was brillante Momente natürlich nicht verhindert, wie in den Andante, bei Vivaldi mit Pizzicati aufgelockert, bei Bach (Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo a-Moll, BWV 1041) sanft wie ein Regenfall. Aber eben ein wenig wie bei Vivaldi, dessen »Winter« sich hier und da in André Previns Nonet zu spiegeln schien. Mit dem Dirigenten war Anne-Sophie Mutter einst verheiratet, sein Kammerstück war eine von zwei reizvollen Beigaben neben den bekannten Titeln, vor allem das einleitende »A Promenade« gefiel, bei dem die Solisten hier und da zu verweilen, einen Ausblick zu genießen schienen.

Das andere Entdeckerstück stammte von Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, einem heute fast vergessenen Komponisten, Virtuosen, Fechtmeister … Er gehörte im Paris des 18. Jahrhunderts zu den spektakulärsten Erscheinungen, seine Werke harren indes der Wiederentdeckung – mit dem Violinkonzert Opus 5 Nr. 2 machte Anne-Sophie Mutter einen Anfang.

Wenn die Mutter zum Fest lädt, wird sie nicht nur gefeiert, sondern bejubelt. Zwei Zugaben waren daher »ein Muß«. Vor dem Abschluß (Neufassung der Filmmusik zu »Schindlers Liste«) tobte Vivaldis Gewitter durch den Saal – der wohl pointierteste Beitrag des Abends.

16. Juni 2023, Wolfram Quellmalz

Ausblick: Am 15. November gibt es ein Sonderkonzert der Musikfestspiele mit Philippe Jaroussky und Le Concert de la Loge im Dresdner Kulturpalast.

http://www.musikfestspiele.com

ab 30. Juni erhältlich: Anne-Sophie Mutter »Vivace«, Dokumentarfilm von Sigrid Faltin, mit Roger Federer, Daniel Barenboim, John Williams, Jörg Widmann, Lambert Orkis und Steve Cohen, als DVD und Blu-ray, erschienen bei SWR Classic

Das Werk von Joseph Bologne läßt sich per CD entdecken. Naxos hält zum Beispiel eine ganze Reihe von Violinkonzerten, Konzertanten Streichquartetten und Konzertanten Sinfonien bereit.

Buchempfehlung: Jan Jacobs Mulder »Der schwarze Mozart«, Roman (keine Biographie) über Joseph Bologne, Unionsverlag

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