Musik Festival Radebeul eröffnet
Der Radebeuler Geiger Albrecht Menzel begrüßte am Sonnabend nicht nur musizierende Freunde, sondern auch zahlreiche Zuhörer in der Friedenskirche Altkötzschenbroda. Das Eröffnungskonzert war Auftakt zur zweiten Ausgabe des Musik Festivals Radebeul (MFR) und stand ganz im Zeichen englischer Komponisten. Albrecht Menzel gelang es, das Publikum gleich dreimal zu überraschen, wobei die Überraschungsgrade unterschiedlich waren.

Friedenskirche Radebeul-Kötzschenbroda, historische Postkarte aus dem Brück & Sohn Kunstverlag Meißen, Bildquelle: Wikimedia commons
Immerhin ist Frank Bridge dem Musikfreund dem Namen nach bekannt. Einerseits, weil er den Kammermusikpreis des Mäzens Walter Willson Cobbett gewonnen hatte und immer wieder als Komponist von Kammermusik in Erscheinung trat, andererseits, weil er als Lehrer später so wichtige Komponisten wie Benjamin Britten zu seinen Schülern zählte – Britten schrieb unter anderem Variationen über ein Thema von Frank Bridge. Der Ursprung dieser Variationen liegt in den Three Idylls (H. 67) bzw. dort im zweiten der Idyllen, mit denen das Konzert begann. Sascha Maisky und Albrecht Menzel (Violinen), Natalie Loughran (Viola) und Bryan Cheng (Violoncello) erweckten mit dem ersten Ton eine Kammermusikatmosphäre, die kaum einen Zuhörer unberührt ließ. Das dichte, ruhige Adagio wurde bald vom Puls des Cellos beflügelt, lockerte auf, vor allem der zweite Satz zeigte sich charmant, flexibel und wandlungsfähig.
Mit Cyril Scott hatte Albrecht Menzel sogar einige seiner Mitspieler überrascht, denn Werke von ihm kannte kaum jemand – derzeit sei das MFR weit und breit die einzige Veranstaltung, die Scott im Programm habe, konnte der Festivalchef stolz verweisen. Für das Klavierquartett e-Moll Opus 16 wechselte die Besetzung, Sascha Maisky pausierte für einen Moment, während Julien Quentin am Flügel das Quartett vervollständigte. Ganz anders als der mit Ruhe beginnende Bridge stürzte sich Scott in romantische Aufwallungen, formte leidenschaftlich blühende Ecksätze, wobei die Balance manchmal ein wenig verschoben war – das Violoncello von Bryan Cheng wurde zeitweise sehr bestimmend und vordergründig dominierend. Das »wuchs« sich aber bald aus, mit dem Allegretto des dritten Satzes stellten sich Wechselbeziehungen ein, trafen zunächst einen innigen Ton, erwachten neu und führten schließlich bis in einen kräftig-berauschenden Schlußakkord.
Doch vor dem richtigen Schluß gab es noch eine Überraschung: Edward Elgar in einem verhältnismäßig späten Werk, dem Klavierquintett Opus 84, das nun alle fünf Spieler vereinte. Elgars spätromantischer Gestus (man denke an das Cellokonzert) ist teils mit viel Pathos beladen, was von manchem als schwülstig empfunden werden kann, wenn es zu schwelgerisch ausgemalt wird. Doch davon keine Spur! Ganz im Gegenteil schien sich dieses Quintett hineinzuschleichen, sacht zu nähern. Erfrischend vor allem aus zwei Gründen: ersten ist der Klavierpart nicht einem Streichquartett gegenübergestellt, sondern eine gleichrangige Stimme unter fünfen, zweitens sind nicht nur die Übergänge der Ecksätze reizvoll gestaltet, Albrecht Menzel und seinen Freunden gelang eine überaus flexible Darbietung, die dynamische Raffinesse offenbarte und letztlich gerade darin begeisterte, daß bzw. wie die Spieler zu einem gemeinsamen, geschlossenen Ausdruck fanden. So schien Elgar im Vergleich mit Scott feiner, nuancierte – surprice!
»Wir haben in den letzten Tagen ein wenig komponiert«, sagte der Festivalleiter nach dem tosenden Schlußapplaus und meinte damit eine charmante Bearbeitung von Elgars »Salut d’amour« für die MFR-Besetzung als Zugabe.
27. August 2023, Wolfram Quellmalz
Das MFR findet noch bis zum kommenden Sonntag statt, unter anderem dürfen sich etwa 400 Kinder einer Radebeuler Schule auf den Besuch der Musiker freuen. Für einige Konzerte gibt es noch Restkarten.