Glänzender Start

Dresdner Kreuzchor geht erfrischt ins neue Schuljahr

Was für ein Wochenende – beide Dresdner großen Orchester starteten in die neue Spielzeit, die Neue Jüdische Kammerphilharmonie gastierte in der Frauenkirche, und auch der Kreuzchor war kurz nach Schuljahresbeginn, nach nur einer Woche Proben wieder in einer Vesper zu erleben. Wie schön, wenn sich das Erleben solcher Ereignisse zeitlich staffeln und einrichten läßt – mancher Text erscheint allerdings erst als Nachtrag.

Für die Kruzianer ging es übrigen gleich so richtig los, denn neben der Kreuzchorvesper am Sonnabend stand für drei von ihnen als Solisten (Drei Knaben) eine Vorstellung von Mozarts »Zauberflöte« in der Semperoper auf dem Programm, tags darauf gab es schon das erste Sonderkonzert: »Ab in den Wald« hieß es am Sonntag auf der Naturbühne Leupoldishain. Mitsingen war hier ausdrücklich erlaubt.

Die Kreuzchorvespern halten neues wie bewährtes bereit: auch im neuen Schuljahr gibt es wesentliche, aus der Tradition gewachsene Bestandteile. Kreuzkantor Martin Lehmann – wiewohl sich bei ihm schon des Amtes wegen die Vokabel »Bestandteil« natürlich verbietet – ist nach genau einem Jahr einerseits noch recht frisch dabei und nach wie vor damit beschäftigt, den Chor und seine Umgebung noch besser einzurichten, andererseits ist es ihm gelungen, sich binnen kurzer Zeit zu etablieren. Dazu zählen jene Änderungen und Neuerungen, die er initiiert hat. Zum Beispiel beginnt der Kreuzchor jede Vesper mit einem ihm gewidmeten Introitus, was nichts anderes bedeutet, als daß es bei jeder Kreuzchorvesper derzeit (mindestens) eine Uraufführung gibt. Binnen drei bis vier Jahren möchte Martin Lehmann einen ganzen Zyklus entstehen lassen, also Introitus für jeden Sonn- und Feiertag des Kirchenjahres. Neu ist in diesem Jahr die Komponistin: auf Wilfried Krätzschmar folgt Agnes Ponizil.

Agnes Ponizil schreibt in diesem Schuljahr die Introitii für die Kruzianer, Photo: Agnes Ponizil

In ihrem Debut wandte sich die Komponistin »Selig sind die Barmherzigen« (Matthäus 5, 7) zu. Erfrischend war, sogleich eine neue Tonsprache zu erleben, obwohl der Chor wie schon bei Wilfried Krätzschmar geteilt auftrat. Und auch in der Ausdeutung, ja Auslotung des Wortes mag man Parallelen entdecken. Das »selig«, zunächst geflüstert, stand diesmal beflügelnd im Vordergrund.

Dem neuen Introitus hatte der Chor einen Ingressus von Gottfried August Homilius vorausgesetzt (Domine ad adjuvandum me, HoWV IV.1), mit Knut Nystedt (»Thus saith the Lord« aus »Three Motets« Opus 43) schloß er jedoch sogleich an unsere Jetztzeit an.

Und das ist so verblüffend – all das geschieht mühelos, ohne Bruch, ohne Anstrengung. Anton Bruckners Motette »Os justi« zeigte nicht nur, daß der Komponist über sein sagenhaftes Locus iste immer wieder zu entdecken ist, es war schlicht eine Wohltat – keine seichte Berieselung wohlbemerkt, sondern ein zu Herzen gehender Gesang, wie es Superintendent Christan Behr in seinem Wort zum Sonntag am Beginn aufgriff.

Für manche war aber, was danach folgte, diesmal der wichtigste Akt. Zumindest für jene zwölf Kruzianer (von fünfzehn insgesamt), die vor Ort waren und mit der Vesper so offiziell wie herzlich in den Kreuzchor aufgenommen wurden. Und sogleich mit Oskar Wermanns Motette »Vater unser« sowie Gottfried August Homilius‘ »Deo dicamus gratias« (Entlaßruf der Vesper) an die lebendige Tradition des Kreuzchores anschlossen, der sich nicht auf die Pflege der Vergangenheit beruft, sondern ein lebendiges Jetzt, was mit Lothar Voigtländers wunderbarem Abendlied zum 80. Geburtstag des Komponisten am Sonntag angefügt wurde – auch darin bleibt sich der Chor also treu.

4. September 2023, Wolfram Quellmalz

Die nächste Kreuzchorvesper gibt es am 23. September, jene am kommenden Sonnabend gestalten die Dresdner Turmbläser um Sebastian Schöne. Liturgie: Superintendent Christian Behr.

https://www.kreuzkirche-dresden.de

http://www.agnesponizil.de/

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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