Musikalisches Patchwork um Orpheus

Capella Gabetta, Elena Tokar und Vivica Genaux zu Gast in der Dresdner Frauenkirche

Im Rahmen des MDR-Musiksommers kam am Sonnabend die Cappella Gabetta nach Dresden. Das um seinen Leiter und Primarius Andrés Gabetta gruppierte Ensemble wurde von Elena Tokar (Sopran) und Vivica Genaux (Mezzosopran) begleitet und hatte Vertonungen des Orpheus-Mythos mit dabei. Gemeinsam wandelten sie zwischen 17. und 18. Jahrhundert, um am Ende sogar noch das 19. mit einer Komposition Ferdinando Bertonis zu streifen. Dabei gab es auch einige Dresden-Bezüge der Werke, Komponisten oder (damaligen) Künstler, etwa auf Maria Antonia Walpurgis, die – neben vielem anderen – auch als Sängerin, Dichterin und Komponistin in der Elbestadt in Erscheinung getreten war, oder die Komponisten Nicola Porpora und Johann Adolph Hasse, die beide für den Sächsischen Hof komponierten.

Auch wenn auf diese Weise ein thematischer Bezug hergestellt und Orpheus in den Mittelpunkt gerückt war, fehlte dem Programm jedoch ein roter Faden. Der aufmerksame Konzertbesucher mag sich all die Zusammenhänge im Programmheft erlesen haben, der kontemplativ hörende Besucher konnte sie nur schwer erfassen, denn nicht nur die Auslegung und -deutung des Mythos‘ ist unterschiedlich, auch die handelnden Figuren variieren. So erschien die Stückauswahl willkürlich, auf Orpheus folgten Iris, Kalliope und Kleopatra (sowie weitere Rollen), ohne daß sich ein stringenter Zusammenhang ergeben hätte. Gewinnen konnte, wer mitdachte, anderenfalls war es (nur) ein schönes Orpheus-Pasticcio.

In einem solchen dürfen ausgemachte Höhepunkte nicht fehlen: Elena Tokar gewann die Herzen der Zuhörer mit Georg Friedrich Händels »Piangerò la sorte mia« aus dem »Giulio Cesare« mühelos. Ihr Sopran klang wie gehaucht, wozu sie von der Cappella Gabetta geschmeidig begleitet wurde. Schon die Cembalo-Einleitung verkündete diese Sanftheit, aus der Elena Tokar dann (zu »Ma poi morta…« / »Noch im Tode…«) mit prächtigen Koloraturen um so eindrucksvoller ausbrach, sich hernach aber wieder mit geschmeidiger Eleganz zurückgleiten ließ. Schon mit einem Ausschnitt aus Giovanni Battista Pergolesis »Orfeo«-Kantate hatte die Ukrainerin mit betörender Süße gezeigt, daß sie (alias Orpheus) auch sanft zu fordern versteht.

Zuvor hatte Vivica Genaux mit einer Arie Georg Friedrich Händels (»Ho perso il caro ben«) und Rezitativ sowie Arie aus der Orpheus-Fassung Nicola Porporas gezeigt, welch Leuchtkraft ein Mezzosopran zu verstrahlen vermag. Mit größtmöglicher Sanftheit und bebendem Vibrato füllte ihr Gesang den Kirchenraum und dürfte bis zu den »Schwalbennestern« ein Genuß gewesen sein – wie schön, daß Sänger und Kapelle trotz kleiner Besetzung auf eine Aufstellung im Altarraum verzichtet hatten. Der Verlust der ersten Reihe im Schiff war ein akustischer wie musikalischer Gewinn.

Begonnen hatte der Abend mit Ballettmusik Christoph Willibald Glucks (»Don Juan«). Wie auch nach der Pause (Ouvertüre zu Händels »Il Parnasso in Festa«) und Mitte des zweiten Teils (Gluck: »Maestoso und Ballo« aus »Orfeo ed Euridice«) führte die Cappella Gabetta vor, daß sie neben warmen, farbenfrohen Streichern auch mit gleichwertigen Bläsern (vor allem Naturhörner, Oboen) auftrumpfen kann.

Nur manchmal war es etwas viel der Effekte, zum Beispiel in Glucks berühmtem Klagegesang des Orpheus (»Che farò senza…« / in der deutschen Umdichtung »Ach ich habe sie verloren…«). Andrés Gabetta begleitete Vivica Genaux hier mit der Solovioline, was jedoch übertreiben süßlich wirkte.

Besonders schön waren ohnehin die Duette von Gluck und Hasse. Zweimal forderte das Publikum mehr und bekam von den Solistinnen noch eine Arie Antonio Porporas sowie (als Wiederholung) Johann Adolph Hasse.

28. August 2016, Wolfram Quellmalz

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