Dresdner Philharmonie setzt zu Saisonbeginn alle Segel
Am Wochenende begann die Dresdner Philharmonie mit dem ersten Sinfoniekonzert die neue Saison und zog gleich alle Register – Erster Gastdirigent, Artist in Residence, dazu eine Uraufführung sowie ein Werk, bei dem auf der Bühne »alles zu erleben war, was die philharmonische Familie hergibt«, schürte Intendantin Frauke Roth in ihrer Begrüßung die Vorfreude noch ein wenig. Soviel sei verraten – sie versprach nicht zu viel.
Und das schloß ausdrücklich die Uraufführung von »Reflection of Shadow«, ein Werk des thailändischen Komponisten Narong Prangcharoen, ein. Reflexionen eines Schattens – physikalisch ist dies nicht möglich, in der spirituellen Welt verbindet sich damit jedoch ein Bild. Narong Prangcharoen arbeitet gern mit Themen, die uns, die ihn beschäftigen, im Falle des Auftragswerks der Dresdner Philharmonie Projekte wie »Luftwurzeln« (vor und im Kulturpalast) oder die Garden City in Singapur. In drei Teilen ist sein Werk von einer Vielzahl von Reflexen angeregt, auch im ruhigen Mittelteil beeinflußten sich die Instrumente immer wieder gegenseitig. Man mag vielleicht nicht alles, was den Komponisten inspiriert hat oder jede Idee wiedererkennen, etwa wenn er Dunkelheit mit hohen Tönen darstellt, viel entscheidender war die energetische, reflexhafte, angeregte Wiedergabe der Philharmonie, die elastisch mit Schlagwerken aus dem Ruheteil beschleunigte, mit Piccolo, Oboe und Fagott ein luftiges Trio über dem Orchester aufspannte. Narong Prangcharoen zeigte sich sehr angetan von der Zusammenarbeit mit dem Orchester.
Gautier Capuçon werden Konzertbesucher noch einige Male erleben können, vor allem in der zweiten Saisonhälfte im neuen Jahr. Für sein Antrittskonzert hatte sich der französische Cellist Edward Elgars Konzert e-Moll ausgewählt, ein Spätwerk, Meilenstein und Lieblingsstück des Publikums. Gerade bei solchen »Hits« gilt es jedoch, aufzupassen, Maß zu halten. Und genau das gelang nicht nur Gautier Capuçon, er fand in Dirigent Kahchun Wong auch einen entsprechenden Partner. Während das Cello stets fein, ausgeglichen, lyrisch-kantabel blieb, ließ Kahchun Wong das Orchester in der Begleitung ebenso ausgewogen und leise, während Tutti-Passagen groß und schwelgerisch anwachsen durften. Die Übergänge gelangen ohne Brüche äußerst geschmeidig.

Gautier Capuçon bei der Zugabe, Pau Casals »El cant dels ocells«, Photo: Dresdner Philharmonie, © Oliver Killig
Daß gerade ein leises Wort, ein leiser Ton eine ungeheure Tragweite entfalten kann, bewies Gautier Capuçon mit einer Zugabe, Pau Casals »El cant dels ocells« (Der Gesang der Vögel), als Friedensbotschaft für die Ukraine.
Mit der Sinfonischen Dichtung »Also sprach Zarathustra« Richard Strauss kam die versprochene große philharmonische Familie auf die Bühne. Der Beginn (»Sonnenaufgang«, wobei hier die Episoden nicht zwingend gehört oder vergegenwärtigt werden müssen) enthielt eine vergleichbare Spannkraft oder Gegensätzlichkeit, die Kahchun Wong schon bei Elgar sorgsam gestaltet hatte. Diese Detailgenauigkeit behielt er bei, konzentrierte sich bewußt auf die Tragfähigkeit der tiefen Streicher als Basis, worüber sich helle Reflexe abzeichneten oder liedhafte Passagen entwickelten – hier gelang durchaus eine Annäherung (oder »Erinnerung«) an Gustav Mahler. Derart sorgsam durfte das Tutti noch einmal wachsen und mit einem Glockenschlag den letzten Akt des Abends beenden.
Am kommenden Sonnabend gibt es mit Gregor A. Mayrhofers Konzert für Recycling-Percussion und Orchester gleich wieder ein Stück zeitgenössischer Musik, dem Beethovens »Pastorale« folgen wird (Dirigent: Duncan Ward). Gautier Capuçon kehrt am 11. Februar für ein Kammerkonzert mit Daniil Trifonow in den Kulturpalast zurück.
4. September 2023, Wolfram Quellmalz