Rückblick 1 Silbermann-Tage

Orgelfahrt ins Erzgebirge und Abendkonzert in Großhartmannsdorf

(Wegen der vorrangigen Berichterstattung für die Tageszeitung erscheinen die Artikel zu den Silbermann-Tagen verspätet, sind aber ausführlicher.)

Orgelfahrten sind nicht ohne Grund sehr beliebt: man sieht etwas von der Landschaft und erlebt Kirchen sowie Orgeln etwas abseits der Hauptrouten. Dabei kann man vieles entdecken und erfahren, stößt nicht nur auf »Kleinode« übrigens, manches ist dafür schlicht zu groß.

Am Dienstag der vergangenen Woche luden die Silbermann-Tage wieder zur Orgelausfahrt ins Erzgebirge. Reiseleiter Jan Katzschke kennt diese »Landschaft« (die Natur wie die Kirchen und Orgeln betreffend) ausgezeichnet, nicht nur, weil er einen Teil seiner Kantorenzeit hier verbrachte. Und wie schon beim letzten Mal standen nicht Gottfried Silbermann und seine Instrumente allein im Mittelpunkt. Vielmehr stellte sich in Oederan, Gahlenz und Eppendorf ein Zusammenhang her: Gottfried Silbermann hatte früh Erfolg mit seinen Orgeln, jedoch nicht nur derart, daß er viele Aufträge erhalten konnte, er wurde bestimmend für viele Orgelbauer, die ihm folgten. Und das taten sie teilweise »über Gebühr«. Denn gerade im Erzgebirge setzten sie die »Bauweise Silbermann« lange fort, selbst als diese bzw. manche Techniken wie die mechanische Schleiflade, längst überkommen waren.

Jan Katzschke an den Orgeln an der Stadtkirche Oederan (links) und der Kirche Gahlenz (rechts), Photos: NMB

Auch der Umgang mit Silbermann-Orgeln (wie in Oederan), das Ersetzen oder Erweitern von Registern oder die Anordnung der Register bei späteren Orgeln (in Gahlenz und Eppendorf stehen Instrumente von Friedrich Göthel) war davon beeinflußt – Moden, die anderenorts entstanden, gab es im Erzgebirge weniger, manche Neuerung setzte sich erst (stark) verzögert durch. Jan Katzschke fing die Historie ein und schlug einen Bogen auch zu Baumeistern und Instrumenten, die nicht auf der Reiseroute standen, wie Trampeli oder Oertel.

Natürlich waren alle diese Orgeln auch zu hören: mit Bach und Mendelssohn, manches davon gleich mehrfach zum Vergleich (Präludium G-Dur, BWV 541), anderes, um die Eigenheiten bzw. besonderen Register hervorzuheben, eine Chaconne von Johann Pachelbel etwa oder eine Phantasie Johann Gottfried Müthels.

Nach einer Einkehr im Trakehnerhof (Eppendorf) ging es zum Abendkonzert nach Großhartmannsdorf, wo die belgische Organistin Els Biesmans in der Dorfkirche »Silbermanns Clavier« anschlug. Dabei handelte es sich um die Kopie eines Hammerflügels von Gottfried Silbermann. Zwar hat dieser eine beträchtliche Zahl von Saiteninstrumenten gebaut, doch ging die Zeit mit ihren Neuerungen ebenso über diese Klaviere hinweg wie deren Haltbarkeit eben noch nicht von dauerafter Natur war. Heute sind weniger als eine Handvoll Originale erhalten, kaum eines ist noch spielbar.

Els Bismans musizierte mit La Festa Musicale (Leitung; Anne Marie Harer), die auch einen eigenen Cembalisten mitbrachten (Walewein Witten). Das Programm spielte nicht nur zwischen den Instrumenten, sondern gleichermaßen zwischen den Generationen, stellte Carl Philipp Emanuel und Johann Sebastian Bach gegenüber. Die Sinfonia D-Dur des Sohnes mit dem Hammerflügel im Basso continuo zeigte sich kantig, hell und offen – La Festa Musicale verstanden es, die Mehrdeutigkeit einzufangen, die Durchlässigkeit und Luftigkeit. Der Klang des Hammerflügels paßte hervorragend dazu!

Johann Sebastian Bachs Triosonate d-Moll (BWV 527), nun von Els Biesmans auf der Silbermann-Orgel, fand überraschend dunkle, kräftige Farben und wagte ungewohnte Register, was den Baß zuweilen laut quäken ließ.

Mit der berühmten Suite h-Moll (BWV 1067), welche die Badinerie einschließt, und dem vorzüglichen Solisten Brian Berryman ging es nach der Pause eleganter zu, wobei die Traversflöte die virtuosen Passagen wirklich mild und brillant zugleich meisterte!

inks: Blumen und Orgeln in der Dorfkirche Eppendorf, Photos: NMB, rechts: Abendkonzert in Großhartmannsdorf, Els Biesmans schaut in ihrer Spielpause gespannt zu, Photos: Silbermann-Gesellschaft, © Detlev Müller

Da konnte die Triosonate c-Moll aus dem »Musikalischen Opfer« von Vater Bach einmal nicht ganz mithalten, fügte sich der Ausschnitt nicht ganz ins Programm und führte der Nachklang des Flügels mit aufgehobener Dämpfung zu einem verschwommenen Eindruck.

Mit einer musikalischen Köstlichkeit jedoch schloß das Programm: Carl Philipp Emanuel Bachs Konzert für Klavier, Streicher und Basso continuo C-Dur (Wq 20). Hier fanden die Virtuosität der Kadenzen mit einer opernhaft dramaturgischen Steigerung zusammen – man kann verstehen, daß der mittlerweile betagte Joseph Haydn, der Carl Philipp Emanuel wie viel seiner Generation verehrte (Wolfgang Amadé Mozart: »Er ist der Vater; wir sind die Bubn. Wer von uns was Rechts kann, hats von ihm gelernt.«) eins zum Begräbnis von Carl Philipp Emanuel nach Hamburg fuhr.

6. September 2023, Wolfram Quellmalz

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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