Bernd Glemser beim Abschlußkonzert des Pianoforte-Festes Meißen
Veranstalter Jan Thürmer konnte sich am Mittwoch in der Aula des St.-Afra-Gymnasiums über das diesjährige Pianoforte-Fest freuen. Nicht nur interessante Gäste waren dabeigewesen, mit dem im vergangenen Jahr gegründeten Verein zur Förderung der Klaviermusik e. V. steht ihm ein weiterer tatkräftiger Partner zur Seite. Der Auftritt von Bernd Glemser war bereits das dritte Konzert in diesem Jahr, das mit der neuen Unterstützung realisiert worden ist. Im ersten war das Pianoforte-Fest mit Peter Rösel ins Gymnasium Franziskaneum zurückgekehrt, nachdem dieses wegen der Sanierung und des Anbaus einige Jahre gar nicht zugänglich war.

Bernd Glemser, Photo: Konzertagentur Esslinger
Das Programm von Bernd Glemser konnte auf dem Papier zunächst überraschen: auf eine große Sonate von Franz Schubert folgten nach der Pause drei zumindest in der zeitlichen Dimension kleinere Werke von Sergej Rachmaninow. Doch daß hier die Chronologie zugrunde läge, konnte, wer den Pianisten kennt, bereits ausschließen. Vielmehr zeigte sich eine ausgefeilt dramaturgische Entwicklung, die sogar – wer hätte das gedacht! – Parallelen zwischen Schubert und Rachmaninow offenbarte.
Die Sonate A-Dur (D959) gehört zu Franz Schuberts letzten vollendeten Werken, entstand in seinem Todesjahr. Nachdem der Komponist manches probiert und verworfen hatte (und wir sind glücklich über die erhaltenen Fragmente!), führte er die Form auf eine neue Stufe. Unter den Händen von Bernd Glemser erwachte darin eine balladeske Vielschichtigkeit, die Schuberts Schwermut mit Lebensfreude verband, stereotyp eindeutige Zuordnungen oder gar klischeehafte Etiketten wie Schubert = Melancholie jedoch vermied. Vielmehr überraschte die doch schon oft gehörte Sonate mit ihrer Klarheit und einer Struktur, der verschiedene Ebenen innewohnten. Zudem wußte sie der Pianist auch zu verbinden, so wie die zwei (oder mehr) Seiten eines Menschen, der mal wehmütig zurückblickt, in der Rückschau Freude findet und wieder nach vorn schaut, leichtfüßig voranschreitet. Ausgerechnet das Andantino umspielte eine sublime Schwere, während feine Farb- und Silberfäden die energetischen Ecksätze durchzogen. Nichts weniger als eine Ballade eben, die den dramatischen Höhepunkt ebenso enthielt wie einen komplexen Lebensblick.
Die Klarheit steigerte Bernd Glemser noch bei Rachmaninow. Mit sehr dosiertem Pedaleinsatz lockte er silberhelle Lichtreflexe hervor, ließ weder in mittleren Lagen noch im Baß etwas verschwimmen. Gerade diese Konturen erfreuten, weil sie dem Erkennen guttaten. Wie schon bei Schubert entzog Bernd Glemser den Komponisten einer allein eindeutigen Zuordnung wie Emotionalität oder Erregung. An sich zwar zutreffend, würden solcherlei Attitüden weder Rachmaninows Elegie es-Moll (Opus 3, Nr. 1) noch der Barcarolle g-Moll (Opus 10, Nr. 3) oder der zweiten Klaviersonate (Opus 36, b-Moll) vollständig gerecht. Viel spannender waren die Verzweigungen in Rachmaninows Komplexität, die sehr wohl emotional angeregt wurden. Aber es geht eben darüber hinaus. Faszinierend war schon das Spiel des Bootes auf den Wellen – eine Barcarolle mit Brandungswucht statt eines leicht dahintreibenden Nachens wie bei Debussy. Insofern war es schön, daß Bernd Glemser bei dieser Weltentdeckung – vom Publikum sofort verstanden – alle drei Werke zu einem stimmigen Bild verband. Irisierend zwar hier und da, aber eben durch Linien und scharfe Trennungen in vielen Teilen zusammengefügt. Da durfte man rätseln und abwägen, welches Allegro der Sonate denn heftiger sein wollte: das »agitato« zu Beginn oder das abschließende »molto«? Man hüte sich vor Lehrbuchmeinungen!
Mit seiner Zugabe, Rachmaninows Prélude gis-Moll (Opus 32, Nr. 12) blieb Bernd Glemser bei seiner Programmgestaltung, fügte das Stück geheimnisvoll – noch einmal schien sich eine Pforte zu Debussy zu öffnen – an und ließ den Komponisten doch ganz klar, emotional, aber vielschichtig, erkennen.
21. September 2023, Wolfram Quellmalz
In diesem Jahr gibt es sozusagen einen Nachschlag: Wegen einer Terminverschiebung findet nach dem eigentlichen Abschluß am Sonntag noch ein Konzert des Pianoforte-Festes Meißen in der Villa Teresa mit Yuna Nakagawa statt.
https://www.pianoforte-fest-meissen.de https://www.villa-teresa.de/veranstaltungen/in-der-villa-teresa/