Johannes Krahl spielt sich im Dresdner Orgelzyklus flink durchs 19. Jahrhundert
Gerade einmal 24, zählt der gebürtige Bautzner Johannes Krahl nicht erst heute zu den wichtigsten Nachwuchsorganisten. Schon 2017 (!) befand die Jury des Internationalen Gottfried-Silbermann-Orgelwettbewerbs so und verlieh ihm den ersten Preis. So etwas hat Folgen – in Johannes Krahls Kalender (eigentlich steht er ja erst mitten im Studium) sind für die kommenden Monate zahlreiche Konzerte eingetragen, nicht nur in Leipzig, sondern auch in Rom, Paderborn oder Riga. Am Mittwoch war er Gast beim Dresdner Orgelzyklus in der Hofkirche.
An Gottfried Silbermanns letztem Werk spielte er Musik, die man der Zeit nach der Romantik zuordnen könnte, jedoch lassen sich die Stile gerade auf der Orgel nicht so eindimensional definieren. Da überraschte manch expressiver Ausbruch also nicht – und an Ausdruckskraft mangelt es Johannes Krahl auf keinen Fall!

Satte und sanfte Farben gab es ebenso wie feine Konturen, hier in Caspar David Freidrichs »Herbstabend am See«, Sepiazeichnung (ca. 1805), Klassik Stiftung Weimar, Bildquelle: Wikimedia commons
In Gustav Adolf Merkels zweiter Orgelsonate (g-Moll) stand die expressive Kraft zunächst einem fast schon impressionistischen Stimmungsschimmer gegenüber. Im Adagio klangen Lied bzw. Choral durch, bevor Johannes Krahl im letzten Satz mit einer Lichtintroduktion, aus der die Fuge wie ein Prisma herausragte, beeindruckte.
Insgesamt wählte der Organist überwiegend hohe Tempi, band zudem die vier Stücke des Programms mit kurzen Pausen recht eng zusammen. Vor allem Richard Bartmuß‘ Sonate Nr. 3 war von einer treibenden Kraft geprägt. Auch hier schienen Lied bzw. Choral durch, aus dem Allegro des dritten Satzes wuchs das Finale (bei stehendem Baß direkt angeschlossen) bündig heraus. Vom Platz des Rezensenten aus »überschlug« sich der Ton durchaus nicht, trotz der teils flotten Gangart (Fuge) – in bezug auf den gesamten Kirchenraum sind solche Tempi allerdings ein Wagnis.
Orgelsonaten blieben im Programm bestimmend. Auf Bartmuß folgte August Gottfried Ritter (e-Moll / Opus 19), der eine experimentelle, knappe Form gefunden hatte. Erstaunlich war ein weiteres Mal das Gegenüber expressionistischer und impressionistischer Elemente.
Über Textvorlagen bzw. Choräle durften Zuhörer bis zur Motivverarbeitung in einer Rheinberger-Sonate (Zugabe) sinnieren. An den Schluß des Programms hatte Johannes Krahl Felix Mendelssohns Opus 65 Nr. 4 mit seinem deutlich festlichen »Vom-Himmel-Hoch«-Gestus zu Beginn gesetzt. Das Andante fällt überraschend kurz, aber innig aus. Im Konzert wurde die Verflechtung mit dem folgenden, belebenden Allegretto deutlich.
Mit einem Allegro maestoso e vivace à la »God save the King« ließ Johannes Krahl sein Konzert noch einmal stark kontrastierend ausklingen. Die deutliche Ausformung konnte gefallen, für die hohen Tempi allein war die Wahl des Sitzplatzes aber wohl wichtig.
19. Oktober 2023, Wolfram Quellmalz
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