Hochschulsinfonieorchester begeistert mit Skoryk und Mahler in der Semperoper
Das Konzert des Hochschulsinfonieorchesters in der bis in den vierten Rang besetzten Semperoper gehört zu den Jahreshöhepunkten im Programm der Musikhochschule. Am Dienstag stand neben Gustav Mahlers fünfter Sinfonie das vierte Violinkonzert von Myroslav Skoryk auf dem Programm, das bei dieser Gelegenheit (bzw. bei der ersten Konzertaufführung am Sonntag zuvor in der Hochschule) seine Deutsche Erstaufführung erfuhr.
Myroslav Skoryk gehört zu jenen ukrainischen Komponisten, Musikern bzw. insgesamt Künstlern, die es bei uns noch zu entdecken gilt. Dabei verbinden sich in seinem Lebenslauf – wie bei so vielen – ukrainische und russische Pfade: Myroslav Skoryk studierte unter anderem bei Dmitri Kabalewski am Moskauer Konservatorium. Er schrieb Musik für nahezu jedes klassische Genre, in seinen Kompositionen verbinden sich Stilelemente von der Avantgarde bis zum Jazz. Soweit die Beschreibung – sein viertes Violinkonzert präsentierte sich um vieles konkreter, vor allem: spannender.

Der Komponist Myroslav Skoryk (2015), Bildquelle: Wikimedia commons
Solist war Taras Zdaniuk aus der Klasse von Igor Malinovsky. Er verlieh dem Werk einen emotionalen Lebenshauch, der vom kantablen, melancholischen Lied bis zu virtuosen, kadenzartigen Passagen reichte. Dann wieder schien der Violinton zauberisch umflort – in mehreren, in einander übergehenden Teilen erzählten Solist und Orchester eine Geschichte, die in nordischer Weite begann, Ängste zu spiegeln schien. Neben dem faszinierenden Soloparcours beeindruckte das Werk mit dialogischen Szenen (Trompete, Flöte), vor allem aber in durch die gebundene Form – die so unterschiedlichen Teile reihten sich nicht einfach aneinander, mischten nicht die Stile, sondern blieben narrativ verbunden. Dies schien den Schmerz des Individuums ebenso einzuschließen wie auslösende Impulse (Klanghölzer). Schließlich beschleunigte der Rhythmus, mündete rhythmisch in marschähnliche Passagen, die jedoch nicht so bedrückend und ausweglos klangen, wie man es von Schostakowitsch kennt. Der Gegensatz Solist / Orchester spitzte sich zu und fand ein abruptes Ende. Wie schade – bei solchen bemerkenswerten Erstaufführungen hätte der MDR als Medienpartner der Hochschule dabeisein sollen!
Taras Zdaniuk, derzeit übrigens Akademist der Sächsischen Staatskapelle, bedankte sich für den Applaus mit einer selbst komponierten Zugabe, einer atemberaubenden Caprice über ukrainische Volkslieder. Ob Niccolò Paganini angesichts solcher Virtuosität blaß geworden wäre, läßt sich heute nicht sagen, anerkennend applaudiert hätte er bestimmt!
Das Hochschulsinfonieorchester hatte nach der Pause gleich noch eine zweite Gelegenheit, seine aktuelle Visitenkarte aufzupolieren. Immerhin verlangt eine Mahler-Sinfonie in ihrer Komplexität wohl mehr als eine durchschnittliche Vorbereitung. Nicht zuletzt, weil sich Irrwege der Fehlinterpretation bieten und immer wieder Mahlers besondere Instrumentierung durchleuchtet. Nicht nur im berühmten Adagietto der Fünften, das von den Streichern, vor allem Celli, und Harfe getragen wird. Auch sonst gewährt Mahler manche Akzentverschiebung, wenn er zum Beispiel die Streicher teilt, die ersten Violinen schweigen läßt, mit Violoncelli und vier Flöten im Scherzo für Beruhigung sorgt. Der zweite Satz begann mit dem Tumult eines Regengusses und endete mit dem Fallen einzelner, satter Tropfen – toll!
Solche Bilder formte Ekkehard Klemm mehrfach mit dem Orchester, was vor allem deshalb freute, weil diese Bilder in Spannung gebunden blieben und nicht vereinzelt herausfielen. Nebenbei gab es mehrfach und immer wieder die Soli von Trompete und Horn zu bewundern – zwischen tragischer Spannung und Lebensfreude hatte dieser Mahler viel zu bieten!
25. Oktober 2023, Wolfram Quellmalz
Nächstes Projekt des Hochschulsinfonieorchesters ist das Neujahrskonzert (13. und 14. Januar) mit Musik von Peter Tschaikowsky, John Clayton, Paul Hindemith und Wolfgang Dauner