Jungen Sinfonieorchesters Dresden bot musikalischen Reichtum
In jedem Herbst besucht das Junge Sinfonieorchester Dresden (JSO), bestehend aus Schülerinnen und Schülern des Sächsischen Landesgymnasiums für Musik, den Konzertsaal der Musikhochschule. Immerhin tragen beide Institutionen den Namen Carl Maria von Webers und stehen sich auch sonst nahe – nicht wenige setzen im Haus am Wettiner Platz fort, was sie im Landesgymnasium vorbereitet haben.
Mit ihrem Dirigenten Eckehard Stier und gleich zwei Solistinnen gab es am Freitag und in einer Wiederholung am Sonnabend insgesamt fünf Stücke zu erleben, wobei der Konzerttitel »Zauberhaft« verschieden gedeutet werden konnte. Etwa in bezug auf die Instrumentenbeherrschung oder die Orchesterqualität. Carl Nielsens Aladdin-Suite traf den Zauber durch die Märchenfigur ganz besonders und holte zudem ein Werk auf den Spielplan, das man selten erleben darf – wie noch andere Stücke an diesem Abend. Ekkehard Stier ließ das JSO in orientalischem Kolorit funkeln und geheimnisvoll vielfarbig schimmern.

Mit Vera Anna Nikulina betrat danach eine noch sehr junge Solistin das Podium, die dem zweiten Satz aus Dmitri Schostakowitschs Klavierkonzert F-Dur erhebliches Bezauberungspotential entlockte. Wer den Komponisten hätte raten wollen, würde vielleicht auf einen Impressionisten oder auf eine (hochwertige) Filmmusik getippt haben. Doch es ist ein originaler Schostakowitsch, der hier von seiner vielleicht lyrischsten, harmonischsten und unbelastetsten Seite gezeigt wurde. Vera Anna Nikulina präsentierte das Andante nicht nur sehr ausgewogen, es wurde durch die Streicher auch voller Sorgfalt umschlossen.
In einer Kammerformation, die den Spielern alles abverlangte (Ekkehard Stier sprach selbstironisch von extremen Anforderungen aller Beteiligten »abgesehen vom Dirigenten«), stand vor der Pause »La création du monde« von Darius Milhaud auf dem Programm. Noch ein Erzählerstück wie zu Beginn, und ebenso eine Adaption – statt einer Schauspielmusik wie bei Nielsen handelte es sich hier um eine Ballettmusik. Etwa zweihundert Jahre zuvor hatte Milhauds Landsmann Jean-Féry Rebel die Erschaffung der Welt ebenfalls in einem Ballett verarbeitet. Hier wie da ist der Akt der Weltentstehung ein bahnbrechender, der musikalische Reibung hervorbringt. Sozusagen phosphoreszierend schöpfte Ekkehard Stier aus dem Chaos eine neue Welt – jazzige, pulsierende Musik, bei der sich einmal gleichviel Streicher wie Schlagwerker gegenüberstanden – wann erlebt man das schon?
Oder wann erlebt man Robert Volkmanns Cellokonzert Opus 33? Das Stück, zeigen die zahlreichen Aufnahmen, ist bei den Spielern beliebt. Henriette-Luise Knauer bewies, daß es auch Konzertqualität hat. Zwar ist der Verlauf des einsätzigen, wiewohl mehrteiligen Stückes ungewöhnlich, trifft aber zutiefst einen romantischen Gestus. Führend, aber nicht vordergründig trat die Solistin auf, im JSO verbanden sich solistische, kammermusikalische und sinfonische Elemente.
Selten werden Konzerte so durch Narrative geprägt wie dies am Freitag geschah. Und das nicht nur, wenn man um Ursprung oder Vorlage wußte, vieles war spürbar dargestellt, nachgezeichnet. Auch im letzten Stück des Abends, Modest Mussorgskys »Eine Nacht auf dem kahlen Berge«, das Hexentanz und Mondlicht instrumental spiegelte und der romantisch-luftigen Leichtigkeit plötzlich gewichtig schwere Streicher hinzufügte. Die Blechbläser übertrumphten sie noch, bis mit einem Glockenschlag der Spuk verflog …
20. November 2023, Wolfram Quellmalz
Im Advent stehen weitere Auftritte der Musikschüler bevor. Alle Termine unter: