Steinway 92001 feiert Flügeljubiläum

Ragna Schirmer zu Gast in der Villa Teresa

Es war ein ganz besonderer Abend und der Auftakt zu einem ganzen Jubiläumswochenende. Doch diesmal standen nicht Teresa Carreño oder Eugen d’Albert im Mittelpunkt, sondern jener Flügel, den sich der Komponist 1898 nach Elberfeld (nahe Köln) hatte liefern lassen. Am 26. November spielte Eugen d‘Albert den Steinway mit der Nummer 92001 erstmals in einem öffentlichen Konzert. Unter anderem erklang dabei die Klavierfassung von Anton Bruckners siebenter Sinfonie. Zwischendurch verlor sich die Spur des Instruments, bevor es wieder in München bei einem Sammler auftauchte. Es sollte bis 2010 dauern, bis der Flügel den Weg zurück in die Villa Teresa fand, 2020 dann, mittlerweile auch formell im Besitz der Villa, wurde das Instrument restauriert.

Von Anfang an als Beraterin mit dabei war die Pianistin Ragna Schirmer. Schließlich kennt sie sich nicht nur in den Kreisen der Musiker und Komponisten der damaligen Zeit gut aus, sondern auch mit ihren Instrumenten. Daher durfte sie den restaurierten Flügel als erste wieder klingen lassen. Am Freitag eröffnete sie mit einem Konzert das Jubiläumswochenende zum 125. Geburtstag.

Ragna Schirmers Eintrag im Stammbuch des Steinway-Flügels, Photo: NMB

Anton Bruckners siebente Sinfonie stand dabei allerdings nicht auf dem Programm, sondern eine Reihe von Stücken, welche durch die Lebensläufe verschiedener Menschen verbunden waren. So hatte Eugen d’Albert, ein Enkelschüler Beethovens (über die Lehrer-Schüler-Kette Beethoven-Czerny-Liszt-d’Albert) als junger Pianist noch Clara Schumann vorgespielt. Später gab er eine kommentierte Ausgabe der Bagatellen Ludwig van Beethovens heraus.

»Es sind keine Bagatellen, diese Bagatellen!« Dem Tagebucheintrag von Clara Schumann folgend, begann Ragna Schirmer mit Beethovens Bagatellen Opus 119 Nr. 1, 11 und 3. Wunderbar geeignet waren die kurzen Meisterwerke, um sich einzuhören, den Klang des Flügels zu erspüren, dem Charakter der Stücke zu folgen. Manchmal etwas »trockener«, in der Gesanglichkeit etwas anders als heute, scheint der Steinway vom modernen Flügel nicht zu weit entfernt, und zeigte doch Charakter.

Oder ließ ihn zeigen, vorführen, von einer Pianistin, die historisches Instrumentarium zu erspüren gewohnt ist. »Dieser Flügel blüht und singt und tanzt« schrieb Ragna Schirmer dem restaurierten Steinway ins Stammbuch, und es stimmt: er zeigte unter ihren Händen luftige Farben, eine rhythmisch beschwingte Lebendigkeit. Gerade die Nuancen erlaubten es, feine Verschiebungen oder Betonungen geltend zu machen. Clara Schumanns Romance ist keine Jungmädchenromanze, sondern enthält überraschende Schattierungen, im Bolero (beide Stücke aus Opus 5) trafen sich Toccata und Habanera.

Nach der Pause entzückten Eugen d’Alberts drei Bagatellen Opus 29 nicht minder. Bei mancher Harmonie habe sie sich dreimal gefragt, ob das so sein soll, meinte Ragna Schirmer – ja, es soll sein, hätte nicht nur Beethoven gesagt. So wie erzählerische Formen (Ballade) verschmolzen, unterschied d’Albert Humoreske und Scherzo – Bagatellverschiedenheiten!

Zwischen den Fundstücken mußte niemand auf große Werke verzichten. So erklangen Robert Schumanns Symphonische Etüden Opus 13 in der Fassung von Clara Schumann und Franz Liszts überwältigendes »Venezia e Napoli« aus den »Années de pèlerinage«. Ragna Schirmer ließ Akkorde blitzen, differenzierte aber auch den venezianischen Wellenschlag, bevor die Tarantella wild und ungestüm, aber mit der Grandezza Liszt’scher Virtuosität tanzen durfte.

Dem Jubel des Publikums gewährte die Pianistin mit Frédéric Chopins nicht minder sprühende Étude Opus 10 Nr. 4, worauf noch ein Lebensfaden folgen durfte, der viele Seelen verband: die Aria aus Johann Sebastian Bachs Goldbergvariationen.

25. November 2023, Wolfram Quellmalz

Hinterlasse einen Kommentar