Josef Špaček springt bei der Philharmonie mit Mozart ein
Kurzfristige Absagen sind immer bedauerlich, und Ereignisse, die in letzter Minute verhindern oder beeinträchtigen, was zuvor geplant und geprobt wurde, treiben nicht nur den Puls des Veranstalters in die Höhe. Pekka Kuusisto sollte am Wochenende als Solist der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast spielen, eine Armverletzung – schon das Wort klingt bei einem Violinisten bedenklich, wir wünschen schnelle Heilung! – verhinderte dies jedoch. Wie schade, fiel dem Mißgeschick doch der komplette erste Programmteil zum Opfer. Die zweitausendeinundzwanzig geschriebenen »Märchentänze« von Thomas Adès wären nicht die einzige Erstaufführung bei der Philharmonie gewesen, auch Jean Sibelius‘ Serenaden Opus 69, immerhin vor mehr als einhundert Jahren entstanden, hatten noch nie auf dem Programm gestanden. Schade auch deshalb, weil solche Werke in den beiden ausverkauften Konzerten eine Bereicherung hätten sein können.
Wenn statt dessen Wolfgang Amadé Mozarts drittes Violinkonzert ins Programm rückte, ist dies nur auf den ersten Blick das, was man schnell gefundenen Ersatz nennt. Schaut man genauer hin, ist die Achse Mozart – Mahler fast schon zwingend. Gustav Mahler, unter anderem Kapellmeister in Leipzig und Hamburg, von 1897 bis 1907 Operndirektor in Wien, galt als einer der versiertesten und hervorragendsten Mozartinterpreten seiner Zeit.
Der noch wichtigere Grund, daß hier kein »Ersatzgefühl« aufkam, lag beim Solisten. Josef Špaček ist Konzertmeister der Tschechischen Philharmonie, hat sich aber auch einen Namen als Solist gemacht. Sein Zugang zum Konzert Violine und Orchester G-Dur (KV 216) bewies eine exzellente Bogenbeherrschung, was den angeregten Austausch mit dem Orchester, Streichern wie Solisten, nur beflügelte. Dabei verzückte, daß der Geiger seine Virtuosität nicht herausstellte, sondern sie einbrachte, um Mozart auf besonders spritzige Weise zu präsentieren. Das schloß auf seiner Seite wie beim Orchester eine Nuancierung ein, die den lyrischen Passagen herbe Striche hinzufügte. Der zweite Satz glänzte mit den Flöten in luftiger Ballett-Manier. (Dazu paßte als Zugabe später eine Sarabande Bachs.)

Eine doch etwas hervorgehobene Position nahm Josef Špaček in den Kadenzen ein. Geradezu rhapsodisch und ausladend (in allen Sätzen!) schlug er mit Dawid Oistrach (Kadenz im ersten) sowie selbstverfaßt (zweiter und dritter) eine Brücke von der Mozart-Zeit bis zu uns.
Dirigent Nicholas Collon, in den letzten Jahren mehrfach als Gast bei der Dresdner Philharmonie, mußte sich auch beim Orchester auf einen Wechsel einstellen: Konzertmeisterin Heike Janicke hatte gleichfalls kurzfristig von Wolfgang Hentrich übernommen. Im gegenseitigen Vertrauen konnte Gustav Mahlers fünfte Sinfonie wachsen, allerdings fehlten ihr etwas die dramaturgischen Spitzen, die Finesse, manchmal auch Präzision. Gerade bei den Einsätzen am Beginn des letzten Satzes hätte man sich konkretere Forderungen seitens des Dirigenten gewünscht, der zwar für Gleichmaß sorgte, für Ausgewogenheit, das I-Tüpfelchen jedoch geradezu zu meiden schien. Ein wenig zu sehr sich selbst überlassen, ließ die Wiedergabe zum Beispiel Mahlers Pointiertheit im Fanfarenmotiv des Anfangs oder die Balance zwischen Streichern und Harfe missen.
Klang gab es dagegen reichlich. Die Bezeichnung »cis-Moll« charakterisiert Mahlers fünfte Sinfonie kaum hinreichend! Als mächtiger Chor beeindruckten vor allem die Blechbläser (Hornsolo: Friedrich Kettschau), das Staccato der Holzbläser wiederum erinnerte an Mozarts Ballett im ersten Programmteil. In all dem übermächtigen Getön gab es außerdem zarte, kleine Momente, wie das Trio der ersten (Heike Janicke) und zweiten Violine (Markus Gundermann) mit der Viola (Christina Biwank).
3. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz