Vom Kommen der Hirten

Italienische Weihnacht in der Dresdner Frauenkirche

Auch wenn das Lied »Kommet, ihr Hirten« weder zum Programm gehörte noch zitiert wurde, paßte der Inhalt doch zum gestrigen Programm »Italienische Weihnacht« in der Dresdner Frauenkirche. Denn ursprünglich kamen die (italienischen) Hirten mit ihren Schafen und Ziegen zu den hohen Feiertagen in die Städte und spielten ihre Musik. Zu Ostern, dem höchsten der Feiertage, war das Musizieren (zumindest das konzertante) jedoch meist untersagt. So hörten die Menschen die Musik, in der Regel auf Flöten gespielt (weshalb man die Musiker auch »Piffari«, Stadtpfeifer, nannte) vor allem zur Weihnachtszeit. Daher ist Hirtenmusik als Pastorale (von »Pastor« = Hirte) noch heute stark mit dem Weihnachtsfest verbunden.

»Der gute Hirte«, Mosaik der Ravennatische Schule, Italo-byzantinische Werkstatt, Auftraggeberin: Galla Placidia (Weströmische Kaiserin), Mausoleum der Galla Placidia, Bildquelle: Wikimedia commons

Doch nicht immer müssen Pastoralen auf Flöten gespielt werden. Gerade in den italienischen Musikzentren übertrugen die Violinmeister ihre Art auf Streichinstrumente und -ensemble. Im 17. und 18. Jahrhundert entstanden zahlreiche Concerti grossi, die teils sogar explizit als Concerto pastorale per il Santissimo Natale (Weihnachtskonzert) bezeichnet wurden und noch heute die festlichsten Stunden in der Weihnachtszeit bereichern. Manchmal geschieht das schon im Advent, so wie gestern in der Frauenkirche.

Frauenkirchenkantor Matthias Grünert spielte mit seinem ensemble frauenkirche dresden um Konzertmeister Tibor Gyenge (als Stellvertretender 1. Konzertmeister wie die meisten anderen Mitglied der Sächsischen Staatskapelle Dresden) Concerti von Giuseppe Torelli, Arcangelo Corelli Francesco Geminiani, Giuseppe Sammartini und Francesco Onofrio Manfredini. Die ursprünglichen Flöten schienen dabei mitzuklingen, vor allem in den Violinen, auch zeigte sich, daß in der winterlichen Musik bereits der Frühling enthalten ist – durch den eingeschlossenen Vogelgesang. Schließlich beginnen die »Wintersänger« unter den Vögeln mit ihrem Werben (und dem Nestbau) bereits in den hellen, kalten Tagen mitten im Winter. (Achten Sie einmal darauf, wenn es um die Weihnachtszeit solche Tage gibt – Sie werden Vogelgesang hören, den es im Hochsommer nicht gibt!)

Auch ohne Bläser zeigten sich die Concerti reich an Stimmen, was im Gegenüber der Violinen ebenso lag wie im Cantabile der Violoncelli (Jörg Hassenrück und Catarina Koppitz). Noch im Kontrabaß (Tobias Glöckler, Dresdner Philharmonie) zeigte sich der noble Ton, der ohne Unterbrechung, etwa beim Umsetzen des Bogens, stabil blieb.

Mitten im Programm durfte es um einige Grade mehr funkeln, als, mit Tibor Gyenge beginnend, sich reihum aufschaukelnd, das berühmte Thema der »Folia«, in seiner vielleicht festlichsten Lesart, von Francesco Geminiani erklang. Sonst ging es ruhiger, ja, friedlicher zu.

Erstaunlich (bzw. gut gewählt): Waren doch die Concerti der Zeit eigentlich durch die Kirchensonate mit der Satzfolge langsam – schnell – langsam – schnell oder (moderner) durch Antonio Vivaldi (schnell – langsam – schnell) geprägt, gab es hier meist einen Ausklang im pastoralen Modus.

Am Ende durften die Schneeflocken mit Antonio Vivaldis »Winter« ordentlich stieben – mit dem ganzen Concerto, nicht nur dem frostigen ersten Satz. Vielleicht ist ja auch hier der zweite (Largo) mit seinem gemächlichen Schreiten und den Wassertropfen der Pizzicati der schönste?

14. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz

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