Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle
Im zweiten Aufführungsabend der Saison spendierte die Sächsische Staatskapelle Dresden ihrem Publikum Drama und Erfrischung, wobei sie sich selbst ein wenig auffrischte, denn am ersten Pult saß neben Tibor Gyenge (Stellvertretender 1. Konzertmeister) als Gast die Konzertmeisterin der orchestereigenen Giuseppe-Sinopoli-Akademie Charlotte Thiele.
Nach der erfreulichen Zusammenarbeit bei Opernaufführungen (»Zauberflöte«) hatte die Sächsische Staatskapelle Gábor Káli das Dirigat des Abends übertragen. Das Programm blieb thematisch bei Mozart bzw. hatte dort seinen Ursprung, auch wenn er zunächst nur mit der quicklebendigen Ouvertüre zur Oper »Der Schauspieldirektor« (KV 486) vertreten war. In das muntere Treiben zwischen Flöte und Fagott mischte sich bereits die Klarinette, zu deren Durchbruch Wolfgang Amadé wesentlich beigetragen hatte.

Und zwar nachhaltig. Will heißen: bis heute lassen sich Menschen von Werken wie Mozarts Klarinettenquintett inspirieren. Für die Irin Geraldine Green war das Erleben dieser Musik als Kind der Auslöser, sich erst dem Instrument und später dem Komponieren hinzugeben. Der Hinweis, sie habe vor allem Filmmusik komponiert, schürte unterschiedliche Ahnungen – den einen ist das Genre zu unklassisch oder gar suspekt, den anderen verspricht es harmonisch ungefährliche Stücke. Glücklicherweise erwies sich Geraldine Greens Konzert für Baßklarinette und Streichorchester als eigenständig genug, trotz seiner vergleichsweise einfachen Anlage mit episodenhafter Entwicklung und ABA‘-Form der Ecksätze. Ein Gewinn waren gerade die langsamen Mittelpassagen (B) sowie das Adagio ma non troppo, das sich mit freier, rhapsodischer Geste entfaltete.
Moritz Pettke, heute Solo-Baßklarinettist der Sächsischen Staatskapelle, fand 2021 den Weg über die Giuseppe-Sinopoli-Akademie zum Orchester. Den gesanglichen, ja lyrischen Duktus der Baßklarinette in Greens Konzert bewahrte er noch in virtuosen Passagen, verströmte den instrumentalen Gesang trotz tiefer Lagen beflügelnd. Bereichernd waren die dialogischen Szenen zwischen Solist und Orchester (mit Soli Violine / Violoncello), die nicht profan an Film, sondern hier und da eher an Schostakowitsch denken ließen. Sein Instrument rückte Moritz Pettke gewandt in den Vordergrund, nebst dem Erkenntnisgewinn, daß das »Violoncello der Klarinetten« (Programmhefttext) zuweilen mit einem Stachel als Stütze ausgeführt ist (im Orchester sieht man häufiger die um den Hals getragenen Gurtbänder).

Im zweiten Teil gab es noch ein wenig Mozart, denn Joseph Haydn hatte den jüngeren Freund nicht nur verehrt, sondern in einem regen Austausch mit ihm gestanden. Ein Nachklang davon findet sich daher auch in den Londoner Sinfonien, die nach Mozarts Tod entstanden (Haydn war zu diesem Zeitpunkt Mitte sechzig). Mit der letzten aus dem Zyklus, schlicht als Nr. 104 bezeichnet und ohne einen markanten Beinamen, erweckte Gábor Káli den typischen Kapell-Klang: elegant und homogen, als Opernorchester zu jeder Zeit bereit, ein Drama zu entfachen. Ein Don-Giovanni-Feuer schien ebenso im Werk zu stecken wie der Funke der Aufklärung, statt eines »artigen« Menuetts gab es ein verschmitztes, dessen »Rampe« Gábor Káli in den Wiederholungen effektvoll steigerte. Schon die Ouvertüre zur Oper »L’isola disabitata« (Hob. XXVIII:9) hatte zuvor gezeigt, daß Haydn mit wenigen Takten eine ganze Welt (oder eben eine Insel) zu erschaffen wußte. Zwischen Streichern und Hörnern hatten sich Erholung und Sturm abgewechselt, im Finale der Sinfonie polierten die Trompeten diesen Klang noch einmal auf. Eigentlich schade, daß man Haydn-Opern praktisch gar nicht mehr auf der Bühne erlebt!
19. Januar 2024, Wolfram Quellmalz