Gustav Mahlers »Auferstehungs-Sinfonie« mit dem Universitätsorchester Dresden
Schon das Werk nötigt Respekt ab – Gustav Mahlers zweite Sinfonie, die »Auferstehungs-Sinfonie«, ist mit eineinhalb Stunden und einer immensen Besetzung von Orchester und Chor ein geradezu ausuferndes Werk, selbst für Profieorchester ein Meilenstein und Großprojekt.
Doch am Sonnabend saßen im Dresdner Kulturpalast keine Profis, sondern Laien auf der Bühne. Das Universitätsorchester Dresden (UOD) hat sich schon in der Vergangenheit Gustav Mahlers angenommen (Sinfonien Nr. 1 und 4), auch Johannes Brahms (Sinfonie Nr. 3). Dabei darf man nicht vergessen, daß es dann nicht allein darum geht, solche Werke zu bewältigen oder zu beweisen, daß das UOD sie beherrscht. Für die beteiligten Musiker bietet sich vielmehr die einmalige Gelegenheit, so etwas überhaupt zu spielen! Die monatelangen Proben sind also wohl nicht nur eine Belastung, sondern eine Bereicherung.

Etwa 34000 Musiker in knapp 900 Laienorchestern gibt es deutschlandweit, verwies Helge Lorenz, Präsident des Bundesverbandes Amateurmusik Sinfonie- und Kammerorchester (BDLO), in seiner Begrüßung. Schon diese Zahlen zeigen den Stellenwert, den Laienmusiker und ihre Ensembles haben – Grund genug, das einhundertjährige Bestehen des BDJO zu feiern. Das Konzert am Sonnabend bildete den Auftakt zum Jubiläumsjahr des Verbandes. Gleichzeitig sollte es am Holocaust-Gedenktag an die Opfer erinnern, zu denen auch Gustav Mahlers Nichte Alma Rosé gehörte. Die junge Violinistin leitete bis zu ihrer Ermordung das Mädchenorchester im KZ Auschwitz. Darüber hinaus stand »Auferstehungs-Sinfonie« aber auch symbolisch für jene, die KZ und Krieg überstanden hatten und danach ein zweites Leben beginnen konnten.
Helge Lorenz ließ seinen Worten Taten folgen und wechselte nach seinen Begrüßungsworten ins Orchester (Tutti 2. Violinen), so wie Christiane Büttig, die den Universitätschor Dresden für das Konzert vorbereitet hatte, sich dem Alt anschloß – Bühne und Chorränge waren bis auf den letzten Platz gefüllt, gegenüber saß das Publikum ähnlich dicht bis in den zweiten Rang.
Und bekam dort einiges zu hören! Dirigent Helmuth Reichel Silva formte eindrucksvoll die Konturen der Sinfonie aus, stellte Orchestergruppen kontrastierend gegenüber oder ließ sie im Tutti wachsen. Eindrucksvoll deshalb, weil dieses Gegenüber ausgewogen blieb, die Steigerung über die gesamte Dauer ohne Überanstrengung geschah. Da vergaß man oft, daß es doch »nur« Laien waren.
Die aufgeregten Tremoli des Anfangs unterschieden sich in der Rauhheit von Violinen und Bässen, zwischen denen das Fagott vermittelte. Bald schien die Melodie in lyrische Sphären von Versen zu folgen. Immer wieder leiteten Paukenschläge oder Akzente eine Zäsur, eine Umkehr ein. Gerade die Entwicklung und Weitergabe von Motiven und die gestalterische Anreicherung durch Bläser gelang Helmuth Reichel Silva ausgezeichnet. Herrlich luftig mischten sich Pizzicati und Holzbläser im zweiten Satz, bevor sich die Schlußgruppe der Sätze drei bis fünf auffächerte. Heiter, ironisch, grotesk neckten sich die Musiker, später verblüfften sie mit den Fernorchestern hinter der Bühne, die das Hauptgeschehen kommentierten.
Natürlich blieb der fünfte Satz mit den beiden Solistinnen Aleksandra Chebotar (Sopran) und Anna-Lisa Gebhardt (Alt) sowie dem Universitätschor Dresden ein Gipfelpunkt. So wie sich die Stimmlagen der Solistinnen (mit klarer Diktion und ausdrucksreicher Gestaltung) unterschieden, wirkte auch der Chor (zu Beginn sitzend) in teils getrennten Stimmen ganz unterschiedlich. Texteinschübe gelangen symbiotisch, nicht wie der sinfonischen Musik unterlegt, sondern im Sinne eines Liedes, das eine Botschaft zu verkünden hat (»Aufersteh’n, ja aufersteh’n«, Oh Schmerz […] »Dir bin ich entrungen«), die man verstehen konnte, ohne mitlesen zu müssen.
28. Januar 2024, Wolfram Quellmalz
Das Universitätsorchester Dresden beginnt in diesem Jahr eine neue Reihe interaktiver Proben (18. März und 16. Juli). Im Sommerkonzert »Überzeugung« sollen Werke von Jean Sibelius und Peter Tschaikowski auf dem Programm stehen.