Cristian Măcelaru wieder bei der Dresdner Philharmonie
Am Wochenende verlockte die Dresdner Philharmonie gleich mit mehreren Trümpfen: Dirigent Cristian Măcelaru hat sich in den letzten Jahren zum Garanten für Repertoireentdeckungen und hochklassige Interpretationen entwickelt. Wenn er noch einen jungen Pianisten (2007 geboren) »im Schlepp« hat, darf man mehr erwarten als nur eine Wunderkindattitude oder frühreife Virtuosität. Mozart wiederum, ein späteres Klavierkonzert zumal, lockt immer. Da wunderte man sich schon, daß jenes in c-Moll (KV491) zuletzt vor über zwanzig Jahren bei der Philharmonie gespielt worden ist! Noch verwunderlicher: kein anderer als Eduard Mörike stand einst (1926) am Pult des Dresdner Philharmonischen Orchesters. Doch halt – nicht der Lyriker und Autor von »Mozart auf der Reise nach Prag« war es, sondern ein Großneffe desselben (1877 bis 1929) und im Hauptberuf wirklich Dirigent.
Cristian Măcelaru begann das Konzert im Kulturpalast mit Witold Lutosławskis Sinfonischen Variationen für Orchester von 1938. Keine typischen Variationen, sondern vielmehr Wandlungen eines musikalischen Tummelplatzes, über den Beethovens siebente Sinfonie ebenso zu toben scheint wie Hector Berlioz‘ Idee fixe (aus der Symphonie fantastique). Später schienen sich noch ein wenig Star-Wars-Klänge darunterzumischen.

Eine ganz andere Mischung bot Mozart. Dabei staunte man zunächst über die Besetzung: das Orchester, wiewohl größer für Mozart, schien doch klein (Hörner und Kontrabässe nur halb so viel wie später bei Dvořák), die »amerikanische« Sitzweise mit den Violinen links und stetig tieferen Streichern bis zu den Celli und Kontrabässen rechts ist heute (bei Mozart) fast schon atypisch. Doch Cristian Măcelaru formte daraus ein sinfonisch geschlossenes Gewebe, welches vielleicht das Gegenüber der Themen nicht so deutlich vorführte wie mit den ersten und zweiten Violinen gegenüber, an Feinheit der Darstellung mangelte es aber nicht! Im Gegenteil wurde der Solist Colin Pütz teilweise aufgenommen, als spiele er ein Orchesterinstrument. Die dialogischen Passagen mit Flöten und Oboen gelangen auch trotzdem kammermusikalisch, sehr schön auch die (damals relativ neuen) Klarinetten, denen Mozart (ebenso wie dem Fagott) eine Bühne einräumte.

Gerade die späteren Klavierkonzerte erinnern oft an die gleichzeitig entstandenen Opern Mozarts. Colin Pütz wußte mit behender Leichtigkeit ebenso zu überzeugen wie mit dramaturgischer Gestaltung, was sich noch in den Kadenzen zeigte: für den ersten Satz hatte er sich für eine Vorlage von Paul Badura-Skoda entschieden, im dritten – deutlich opernhafteren – eine passende selbst geschrieben. Es scheint, man dürfe gespannt sein auf künftige Auftritte des Pianisten …
Mit seiner Zugabe, am Sonntag Antonín Dvořáks »Humoreske«, hatte Colin Pütz schon auf den zweiten Konzertteil verwiesen, in dem die sechste Sinfonie des Böhmen auf dem Programm stand. War die musikalische Reise zuvor schon durch Europa oder zumindest wichtige Musikzentren (Salzburg / Österreich, Polen, Frankreich) gegangen, trafen sich jetzt zwei musikalische Brüder, denn in den Ecksätzen scheint eine Verwandtschaft zu Johannes Brahms zu liegen. Dagegen ist gerade der Furiant unmißverständlich Dvořák – in beiden Binnensätzen mit den jeweils »umgekehrten« Mittelteilen (schnell im Adagio, beruhigend im Scherzo) bewies Cristian Măcelaru, wie genau man Kontraste ohne Überhöhung oder Effekthascherei ausformen kann. Ohnehin mitreißend und von überbordendem Schwung waren das Allegro und vor allem das Finale, wobei die Detailgenauigkeit unter dem Strömen und Wogen nicht gelitten hatte – so sollte con spirito klingen!
10. März 2024, Wolfram Quellmalz