Die Rückkehr ins geheimnisvolle Schloß

Kammermusikreihe von Artis Causa seit letztem Wochenende wieder in Schloß Waldenburg

Schloß Waldenburg hat, beginnend mit einer Burg im 12. Jahrhundert, später Sitz der Fürsten Schönburg-Waldenburg, eine wechselvolle Geschichte erlebt – wie manches andere Schloß ebenso. Doch Schloß Waldenburg überzeugt mit seinen individuellen Reizen – geschichtliche Ereignisse und Verwerfungen, selbst wenn sie sich wiederholen oder mehrfach erlebt einen Verlauf markieren, sind eben doch nicht beliebig oder alle gleich. Anfang des 20. Jahrhunderts erfuhr der Schloßbau zuletzt eine wesentliche Neugestaltung, wovon noch heute das Spiegelkabinett, die Bibliothek, die Schloßkapelle oder das Gobelinzimmer erzählen. Einst hing hier sogar – zumindest kurz – ein berühmtes Bild: »Jüngling mit Apfel«. Doch Johannes van Hoytl d. J. Portrait kam praktisch über Nacht abhanden. Allerdings ist das kein Fall von Kunstraub oder für die Provenienzforschung, sondern Filmgeschichte, denn Michael Taylor schuf das angebliche Renaissancegemälde erst vor wenigen Jahren für den Film »Grand Budapest Hotel«. Einige der Szenen wurden in Schloß Waldenburg gedreht.

Auch die Schloßhalle und der Blaue Saal waren im Film zu sehen – ganz real (aber ohne »Jüngling mit Apfel« an der Wand) betraten es am Sonntag die Besucher der Kammermusikreihe des Artis Causa e. V., die nach fünfzehn Jahren an anderen Spielorten wieder hierher zurückkehrte. Traditionell eng ist die Verbindung von Artis Causa zu den Musikern der Sächsischen Staatskapelle, die sich mit ihren musikalischen Partnern oft an den Konzerten beteiligen. Am Sonntag stand Lukas Stepp, Konzertmeister der Zweiten Violinen des Orchesters, Moeko Ezaki als Klavierpartnerin zur Seite. Beide unternahmen eine Reise durch kaum ein Jahrhundert Musikgeschichte – doch hatte sich binnen der Jahrzehnte nicht nur die Form der Violinsonate gewandelt, als exquisite Vorführdisziplin für Virtuosen und Könner ist sie seit jeher geeignet, Qualitäten der Spieler und das Verständnis eines Duos herauszustreichen.

Halle in Schloß Waldenburg, Photo: NMB

Lukas Stepp und Moeko Ezaki tauchten schon mit Ludwig van Beethovens Sonate für Klavier (Beethoven schrieb noch »Pianoforte«) und Violine Opus 24 (F-Dur) sogleich in die Tiefen, die eine verfeinerte, sinnliche Emotionalität ebenso enthielten wie grazil-virtuose Arabesken – nichts ist bei Beethoven ein aufgesetzter Schnörkel oder dient nur der Zier! Im Wechsel der Stimmen, die sich – wie Beethovens Gattungsbezeichnung vermuten läßt – gleichwertig gegenüberstehen, durften sich Violine und Klavier (oder eben Klavier und Violine) gleichermaßen »hervortun«, in die Begleiterrolle zurückfallen lassen oder im gleichsinnigen Klang schwelgen. Dabei gefiel nicht zuletzt, daß hinsichtlich perlender, geschmeidiger, brillanter oder seidiger Töne beide offenbar gemeinsame Ambitionen im Ausdruck hatten. Nicht zuletzt verstand es Moeko Ezaki, den individuellen Klang des Grotrian-Steinweg-Flügel freizukitzeln, was neben der Werkangemessenheit auch der Raumangemessenheit zugute kam. Ein wenig nach »Salon« durfte es nämlich klingen! Die Jahreszeit – welche im später hinzugefügten Namen »Frühlingssonate« steckt – offenbarte nicht nur »hellgrüne«, leuchtende Farben, sondern manchen wohltuend rauhen, matten Ton.

Der Saloncharakter verstärkte sich noch mehr bei den Drei Romanzen für Violine und Klavier Opus 22 von Clara Schumann. Auch traten die Emotionen hier deutlicher, fast menschlicher hervor. Herb oder melancholisch war das Andante durchzogen, während das Allegretto – dem Lied sehr nahe (manche Werke Clara Schumanns wurden ob dieses Charakters später mit einem Text unterlegt) – schien Lerche und Kuckuck rufen zu lassen.

Moeko Ezaki und Lukas Stepp, Photo: NMB

Obwohl der Zeitsprung in der Entstehung der Werke nach der Pause deutlich geringer ausfiel als zuvor (53 Jahre), vollzog sich auch über beinahe dreieinhalb Jahrzehnte, die zwischen Clara Schumann und Richard Srauss lagen, wesentliche Musikgeschichte. Vor allem: Strauss ist in seinen Kammermusikwerken (wir durften ihn in den letzten Wochen mehrfach erleben), ein anderer als Beethoven, Schubert oder Clara Schumann, immer noch ein Opernkomponist. Wunderte es da, wenn Lukas Stepp und Moeko Ezaki in der Sonate Opus 18 (Es-Dur) nicht den Frühling wachküßten, sondern kleine Bühnenpanoramen aufzustellen schienen? Nicht nur, daß Strauss‘ Harmonien in seine Kammermusik eingeflossen waren, erinnerte der erste Satz doch frappierend an manche Szene im »Rosenkavalier«, während der dritte »Ariadne auf Naxos« anzukündigen schien. Dagegen schien die zweite – Improvisation. Andante cantabile – wie ein Intermezzo, ein Gruß an Johannes Brahms.

Der »Salon« war hier natürlich zerstoben – ganz schadlos allerdings, denn die beiden Spieler verstanden es vorzüglich, Expression musikalisch darzustellen und im Blauen Saal passend aufzuspannen. Da darf man auf die Fortsetzung gespannt sein …

23. April 2024, Wolfram Quellmalz

Am 30. Juni, 17:00 Uhr spielt das Fritz-Busch-Quartett der Sächsischen Staatskapelle Dresden Musik von Wolfgang Amadé Mozart und Alexander Borodin.

https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/de/projekte/erbe_und_vermittlung/detail/artis_causa_ev.html

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