Mozarts »La finta giardiniera« als Hochschulproduktion im Kleinen Haus
Selbst bei Wolfgang Amadé Mozart sollte man sich hüten, zu glauben, man wisse und kenne alles. Zwar sind wir mit seinen letzten großen Opern bestens vertraut, manche der früheren kennen wir dagegen nicht oder kaum. So auch im Fall von »La finta giardiniera« (Die Gärtnerin aus Liebe). Immerhin ist jedoch manche Arie oder Duett aus dem Radio oder von Aufnahmen geläufig. Will man aber einmal das ganze Stück sehen, wird es deutlich schwieriger als bei der »Zauberflöte«. Die Jahresproduktion der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden derzeit nun im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden Gelegenheit dazu. Und die sollte sich niemand entgehen lassen! Am besten zweimal, um beide Besetzungen zu kennen. Denn musikalisch ist, was Sänger und Orchester bieten, höchst beglückend. Und das über die Maßen oder die Erfahrung hinaus, denn in vielem gelang dem Ensemble ein besonders vibrierender Mozart-Ton.
Daß die Geschichte (wieder einmal) recht verworren ist, sollte niemandem abschrecken – verworren ist es doch häufig, am schlimmsten bei Wagner. Wie dort gibt es bei Mozart bzw. seinem Librettisten Giuseppe Petrosellini eine Vorgeschichte: Graf Belfiore hat in einem Anfall rasender Eifersucht seine Geliebte, die Gräfin Violante Onesti, schwer verletzt und ist im Glauben, sie getötet zu haben, geflohen. Fortan lebt die genesene Gräfin als Gärtnerin Sandrina verkleidet, und bis beide wieder zusammenfinden, gibt es nicht nur Tarnungen zu entdecken und Haftbefehle zu entkräften, auch Serpetta, Ramir[a], Nardo und Arminda wollen geliebt (und in der richtigen Konstellation zusammengebracht) werden. Nicht zu vergessen der Podestá, Armindas Onkel – ein in später Liebesglut entbrannter Amtmann, der irgendwie schadlos gemacht werden müßte … Übrigens kommt es trotz bereits anberaumter Heirat im Stück zu keiner Vermählung!

Während das Hochschulsinfonieorchester unter der Leitung von Ekkehard Klemm zur Ouvertüre im Graben losbraust und leuchtet und sich diesmal noch bemerkenswerter als sonst ein Kolorit entfaltet (es gibt bei Mozart ob seines kurzen Lebens dennoch unterschiedliche Klangperioden!), läßt Opernklassenleiterin und Regisseurin Susanne Knapp die Vorgeschichte als brutalen Zwischenfall (Belfiore schlägt und tritt Violante) vor der Bühne ablaufen. Die Übertragung in die (banale) Realität liegt allerdings weder zwingend im Stück begründet noch hilft sie ihm. Womit die Tat nicht beschönigt sein darf – doch sie spielt dramaturgisch nicht auf der gleichen Ebene wie die eigentliche Handlung. Opernführer fassen sie ganz unterschiedlich zusammen, manche nennen einen (»zeitgemäßeren«?) Dolch. Gut fünfzig Jahre nach der »Finta« wird Thomas De Quincey den Mord essayistisch pikant beschreiben (»On Murder Considered as One of the Fine Arts« / »Der Mord als eine der schönen Künste betrachtet«) – den Schluß nach diesem Anfang zumindest zieht Susanne Kapp in letzter Konsequenz gar nicht.
Vielmehr konzentriert sich das Stück (ziemlich original) wesentlich auf die vorgegebene Handlung. Einzig die Dialogfassung der gesprochenen deutschen Texte driften immer wieder ins zu triviale, greifen zu viele Sprüche auf, lassen die Protagonisten fluchen oder »ist das ein Scheiß hier« (Arminda) sagen – in seiner Überfülle verfehlt dies die Pointe, zudem bekommen die Szenen, die sich aus gesprochenem und gesungenem Wort zusammensetzen, Risse.
Doch genug des Meckerns – denn im ganzen stimmen das Spiel und die Musik, und das liegt nicht wenig an der großartigen Besetzung. Und nicht wenig tragen die effektvollen Kostüme (Sabrina Geißler, Marthe Streubel, Jannes Donner, Lore Ricker und Flora Schwinger, Hochschule für Bildende Künste) und die Bühne (Pauline Malack, Theaterplastiken: Hanna Kraft, HfBK) dazu bei. Während der Raum meist in Grautönen, aber phantastisch und geheimnisvoll wirkt (was sind das nur für Blumen, welche die Gärtnerin da pflegt?), sind die Figuren bis zu Armindas Perücke (irgendwo zwischen Rokoko und March Simpson) herrlich grotesk überzeichnet.

Unbedingt erwähnt werden muß die Nachwuchsförderklasse der HfM (Christine Straumer). Für jede der Hauptpersonen gibt es ein kleines Double, das bei Bedarf relativierend oder entwaffnend eingreift. Zudem sind die Kinder mit Text und sogar italienisch als Chor dabei – großartig!
Unter den Sängern bezaubern am Premierenabend ganz besonders die wunderschön lyrische Stimme von Xiang Li als Sandrina, Nantia Toliou mit ihren glitzernden Koloraturen als temperamentvolle Serpetta sowie der Belfiore von András Adamik. Den Sänger hat man trotz vieler Auftritte, unter anderem als Chorsolist, mit solch süffigem italienischem Timbre wohl noch nicht gehört! Wobei hier das Lob der Stimme schon wieder das Spiel ausläßt. Denn es gelang allen sieben Akteuren, ihren Figuren Leben und Authentizität einzuhauchen, was manchmal gar nicht leicht gewesen sein dürfte. Chao Wang hatte als Podestá manchen sperrigen Text zu sprechen – Amtsdeutsch eben. Trotzdem gelang ihm gerade das sehr gut, während sein eher sanfter Tenor beim Singen zunächst etwas zurückgenommen wirkte.
Mit einer bös-sarkastischen Arminda (Lisa Trentmann) und einem liebesunglücklichen (aber unermüdlichen) Nardo (Nico Lindheimer) bekamen auch vermeintliche Nebenrollen Potential, gegebenenfalls die Führung zu übernehmen. Anna-Maria Tietze konnte als Ramira ihre bereits reiche Erfahrung ausspielen und überzeugte nicht nur stimmlich, sondern ebenso in der gezielten Aktion – hier saß die Pointe eben doch!
28. April 2024, Wolfram Quellmalz
Noch sechs Termine im Mai: Wolfgang Amadé Mozart »La finta giardiniera«, Hochschule für Musik / Staatsschauspiel Dresden, Kleines Haus
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Die Besprechung zur zweiten Premiere mit der B-Premiere vom Dienstag finden Sie hier: