Schubert im Kopf, Strauss im Herzen

Liederabend mit Nikola Hillebrand und Alexander Fleischer beim »Lied in Dresden«

Nikola Hillebrand gehört erst seit vier Jahren zum Ensemble der Dresdner Semperoper und hat sich mit Rollen wie Pamina (»Zauberflöte«), Musetta (»La bohème«) oder Zdenka (»Arabella«) einen Platz in den Herzen des Publikums erobert. Und das nicht nur in Dresden – die Sopranistin ist in Zürich, Paris, Hamburg oder Wien ebenso gefragt. Mehr als nur nebenbei hat sie sich auch ein Liedrepertoire aufgebaut und zuletzt »Las Lied« in Heidelberg gewonnen, gastierte bereits ebenso im Pierre-Boulez-Saal in Berlin wie in der Londoner Wigmore Hall. Am Sonntag war sie bei der Reihe »Lied in Dresden« im Konzertsaal der Musikhochschule zu erleben.

Nikola Hillebrand und Alexander Fleischer, Photo: HfM, © Katharina Gebauer

In vier Blöcken hatten Nikola Hillebrand und ihr Pianist Alexander Fleischer das Programm geordnet. Franz Schubert gehörte der gesamte erste Teil bis zur Pause, während der zweite vor allem durch Richard Strauss geprägt war. Und doch wogen fünf Lieder von Clara Schumann nicht weniger schwer. Mögen manche, wie »Liebst du um Schönheit« oder Heinrich Heines »Lorelei«, in anderen Vertonungen oder Überlieferungen bekannter sein – hier zeigte sich Nikola Hillebrand von ihrer einfühlsamsten Seite und hob besonders das erste, »Ich stand in dunklen Träumen«, nicht nur in luftige Sphären, sondern seelenvolle Tiefen. Ein zurückgenommen gehauchtes »Heimlich« als Betonung und eine mit Hingabe gesetzte Pause, welche die Erleichterung nach »Ach« spürbar werden ließ, gehörten zu den feinen Höhepunkten des Abends.

Franz Schubert, aus dessen Liedern Nikola Hillebrand und Alexander Fleischer neben der Romanze aus »Rosamunde« und den »Nachtviolen« unter anderem »Gretchens Bitte« (D 654) ausgewählt hatten, ein von Benjamin Britten vervollständigtes Fragment, war zuvor noch ein wenig vom Gleichmaß der Darstellung geprägt gewesen. Verbunden mit einer großen Bühnenpräsenz fehlten daher etwas die feinen Nuancen der inneren Stimme. Dort, wo eine dramatische Überformung Gestaltungsraum bot, überzeugte die Sopranistin sofort, etwa in »An mein Herz« (D 860).

Daß dennoch viel Schattierung und Subtilität leuchten, schimmern, glimmen durfte, lag an Alexander Fleischer, der es nicht nur verstand, Nikola Hillebrand ausgezeichnet zu »folgen«. Ein »Nachkommen« des Klaviers wäre ohnehin viel zu wenig. Vielmehr fanden beide neben Tempi, Einsätzen und Stimmung auch im Legato zusammen. Im Klavierpart spielen sich bei Schubert viele Kommentare ab, verzweigen sich Handlungsverläufe des Rahmens. So wurde die Erregung in »An mein Herz« von Beginn an fühlbar. Alexander Fleischer sorgte für sanften Nachhall (»Rosamunde«) oder malte die Rheinwellen der »Loreley«. Welchen Klangkosmos er mit dem Standard eines Steinway erschloß, verblüffte nicht nur, es verzauberte!

In Sachen Erschließung ging es sogar noch ein Stückchen weiter – mit Liedern von Richard Strauss öffnete sich der Vorhang zu szenischem Geschehen und Opernklängen, egal, ob diese nun akkordisch inbegriffen waren (»Nichts«, Opus 10 Nr. 2) oder im Kopf des Konzertbesuchers evoziert wurden. In zwei »Sträußen« gab es Strauss: zunächst mit vielen Rosen (»Die erwachte Rose«, WoO 66, »Rote Rosen«, WoO 76, »Das Rosenband«, Opus 36 Nr. 1) und ein paar Lilien (»Wer hat’s getan« WoO 84A), die zeigten, wie leicht und nonchalant Nikola Hillebrand auch humoristische Passagen einflechten kann – ohne jeden Anflug von Albernheit.

Gerade im letzten Teil (»Das Rosenband«, »Schlechtes Wetter«, Opus 69, Nr. 5) offenbarten sich in Stimme und Klavier phantastische Höhen und ein erstaunliches Formenspiel – noch keine Ballade oder Opernszene, auch noch kein Orchesterlied, zeigten die Lieder emotional und in der dramaturgischen Fallhöhe ein packendes Spiel. Mit »Schlagende Herzen« (Opus 29, Nr. 2) und »Cäcilie« (Opus 27, Nr. 2) schien der Abend schillernd auszuklingen und bis an die Sterne zu reichen.

Nach der zugegebenen »Forelle« stand Richard Strauss‘ »Der Morgen« ebenso für einen ruhigen Ausklang wie für die Gewißheit einer Fortsetzung.

6. Mai 2024, Wolfram Quellmalz

Nächstes Konzert von »Lied in Dresden«: 24. Mai, Schauspielhaus, Matthias Goerne (Bariton) und Markus Hinterhäuser (Klavier) mit Liedern von Robert Schumann (im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele). Bereits am Mittwoch ist an der Musikhochschule die Studentenklasse in »Lied-Gut« zu erleben.

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