Mit Gemüt und Verve

Hee-Jung Min an der Silbermann-Orgel Reinhardtsgrimma

Freibergs Domorganist Albrecht Koch freute sich am Sonntagnachmittag, mit Hee-Jung Min eine frühere Kommilitonin im Orgelkonzert in Reinhardtsgrimma, dessen Veranstalter er ist, begrüßen zu dürfen. Mit den Worten zum Choral »Werde munter, mein Gemüte«, über den Johann Pachelbel eine Partita angefertigt hatte, lenkte er gleichzeitig auf Titel (»Sommer im Gemüt«) und Inhalt des Konzertes. Pachelbels Partita folgte wenig später.

Wichtige Lebensstationen hatten die in Südkorea geborene Organistin bisher nach Bad Krozingen und Leipzig geführt, aber auch nach Austin (Texas). Mittlerweile ist sie als Kantorin der Friedenskirche wieder in Freiburg im Breisgau zu Hause, wo sie vor einigen Jahren schon einmal in der Evangelischen Kreuzgemeinde sowie an der Pauluskirche tätig war.

Silbermann-Orgel der Kirche Reinhardtsgrimma, Photo: Jörg Blobelt, Bildquelle: Wikimedia commons

Einen wichtigen Preis gewann Hee-Jung Min vor einigen Jahren beim Internationalen Orgelwettbewerb »Max Reger und Olivier Messiaen« in der Kulturhauptstadt Graz. Für die kleine Silbermann-Orgel in Reinhardtsgrimma sah sie jedoch von so modernen Kompositionen ab und besann sich auf quasi zeitgemäßere Werke.

Ganz auf (zeitlicher) Augenhöhe waren dabei Gottfried Silbermanns Zeitgenossen Johann Gottfried Walther und Johann Sebastian Bach, welche den Rahmen vorgaben, wobei Johann Gottfried Walthers Concerto del Signore Meck als Übertragung eines Werkes von Joseph (»Giuseppe«) Meck entstand und den Eichstädter Kapellmeister damit der Vergessenheit entriß. Noch die Orgelfassung brachte den italienischen Stil deutlich hervor, wobei die Allegro-Sätze nachdrücklich eine Qualität Silbermanns herausstellten: kräftige, durchsetzungsstarke Register zu bauen. Das schien für die kleine Kirche schon überdimensioniert.

Für Johann Pachelbels Partita wählte Hee-Jung Min überwiegend singende Stimmen aus, welche die Variationen einerseits steigerten, andererseits nahmen die virtuosen Verzierungen, welche die Melodie umspielten, immer weiter zu.

Wie Johann Pachelbel gehörten Georg Böhm und Georg Muffat zur Vor-Bach- und Vor-Silbermann-Zeit. Mit Georg Böhms »Vater unser im Himmelreich« stellte Hee-Jung Min eine andächtige Choralbearbeitung vor, die nach einem Vorspiel den Choral selbst präsentiert. Georg Muffats Toccata prima dagegen ist alles andere als andächtig oder schlicht, sondern stellt einen verspielten Höhepunkt virtuoser Orgelkunst dar! Vor allem, wenn sie so munter perlen durfte wie hier.

Eine solche Verspieltheit, die mitunter auch in den Stücken für »Flötenuhren«, also frühe Orgelautomaten, zu finden ist, blieb in der Orgelliteratur erhalten und verbindet immer wieder vergnügliche Unterhaltsamkeit mit (früh)klassischen Formen, wie der Sonate. Carl Philipp Emanuel Bachs Sonata a-Moll (Wq 70 / 4) kann stellvertretend dafür stehen, deren luftige Purzelbäume im Allegro assai Hee-Jung Min nicht artistisch herausstellte, sondern in ihrer musikalischen Grundsubstanz beließ. Das stillere Adagio zeigte deutlich, daß hier nicht nur das Tempo oder Metrum ein anderes ist, sondern sich der ganze Charakter, die farbliche Schattierung gewandelt haben – weniger die Stimme als die Stimmung (innig) trat hier hervor. Mit dem schließenden Allegro traten die kräftigen Register wieder deutlich hervor, die typische Feingliedrigkeit Carl Philipp Emanuel Bachs blieb dabei erhalten.

Für Mozart war »CPE« ein richtungsweisender Vorgänger gewesen. Was hätte uns Wolfgang Amadé, der Salzburger Hoforganist, nicht alles schreiben können, wenn die Umstände (Rauswurf in Salzburg) andere gewesen wären? So blieben von seiner Kunst auf der Orgel nur Erzählungen und keine zwei Hände voll überlieferter Literatur. Wie das Andante in F-Dur für die Orgelwalze (also ebenso ein »Automatenstück«, KV 616). So klein und schlicht es scheinen mag, war es doch eine Entsprechung des Themas »Sommer im Gemüht« und ein kleines, angemessenes Schlußwort zu »CPE«.

Das echte Schlußwort galt dennoch jenem Komponisten, welcher überwiegend als der »große Meister« wahrgenommen wird – Johann Sebastian Bach. Sein Präludium und Fuge G-Dur (BWV 541) läßt sich natürlich auch an einer kleinen Orgel darstellen, wobei hier erneut der Eindruck eines Übermaßes entstand. Bachs Präludium jubelt doch von innen – da hätte weniger Lautstärke oder Durchdringung schon genügt! Die Fuge, durchaus »luftig« (und im Duktus von »Alles, was Odem hat …«) setzte einen nachdrücklichen Schlußpunkt.

8. Juli 2024, Wolfram Quellmalz

Im nächsten Konzert der Reihe, am 22. September (16:00 Uhr, Kirche Reinhardtsgrimma), spielt Albrecht Koch selbst die Silbermann-Orgel. Ihm zur Seite steht dann Helmut Fuchs, Solo-Trompeter der Sächsischen Staatskapelle. Albrecht Koch versprach dem Publikum vorab aber auch das Erlebnis der für das Erntedankfest geschmückten Kirche.

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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