Sinfonietta Dresden feiert Jubiläum mit Beethoven Schnittpunkte X
Ursprünglich war die zehnte Ausgabe der Beethoven Schnittpunkte ein Zielpunkt, an dem die Reihe, pünktlich zum 30jährigen Jubiläum der Sinfonietta Dresden, am Freitag in der Dresdner Musikhochschule enden sollte. Doch die Impulse, die durch die Schnittpunkte freigesetzt wurden, sorgten für eine Rückkopplung: am 24. Mai nächsten Jahres gibt es mit Ausgabe XI einen Nachschlag rund um Beethovens Chorphantasie. Dann wird zudem die vorletzte Partnerstadt Dresdens, Hangzhou (Zhejiang / China), als Herkunftsort eines Komponisten eingebunden sein. Nur Brazzaville (Kongo) fehlte dann noch …
Schnittpunkte gab es bei der Sinfonietta Dresden eigentlich von Beginn (Festkonzert mit Hans Christoph Rademann in der Orangerie des Pillnitzer Schlosses) an. Das Jubiläum gab Anlaß und gab Gelegenheit(en), zurückzublicken. Beispielsweise zu den Mendelssohntagen Koblenz, zu denen das Ensemble bereits 1995 eingeladen war und ein Programm mit Komponistinnen (Fanny Hensel, Clara Schumann, Grazyna Bacewicz) präsentierte. Damals bereits nicht einem Modetrend folgend, sondern auf gewissenhafter Forschung und Editionsarbeit basierend. Insofern war die anwesende Komponistin Vera Stanojevic ebenso kein Zugeständnis an den Zeitgeschmack, sondern Teil einer nicht nur emsigen, sondern zeitaufwendigen und unermüdlichen Arbeit. Ihr Werk war ein Glied jener Kette von Kompositionen aus den Partnerstädten Dresdens, die seit dem Beginn der Schnittpunkte länger und länger wurde. Diesmal also Columbus (Ohio / USA).
Geboren wurde Vera Stanojevic allerdings in Serbien, was immer noch ihre Heimat ist. Wenn sie heute im Flugzeug sitzt und die Alpen unter sich erblickt, weiß sie, daß sie bald zu Hause ist. Dieser Blick ging auch in die Komposition »Echoes from the Mountains« ein. Allerdings war das Auftragswerk für ein amerikanisches Orchester geschrieben, das sich wünschte, sein in der zeitgenössischen Musik unerfahrenes Publikum nicht zu erschrecken. Solcherart Kompromisse müssen fast zwangsläufig in eine Unfreiheit des Komponierens führen. So verwunderte es nicht, daß das Stück denn recht illustrativ schroffe Klüfte und Spitzen darstellte, aber ebenso wie das folgende »Kubik-Music«, welches Motive recht übersichtlich verschiebt, ungleich weniger Spannung barg als das folgende »Reflections«. Dieses, ursprünglich Teil eines Streichquartetts, hatte Vera Stanojevic extra für diesen Abend und die Sinfonietta bearbeitet. Und siehe da – der »Klangspiegel« (so die Idee hinter dem Werk) wurde durch Liegetöne sofort erkennbar. Die gegebene Spannung blieb auch über die Bewegungen des Orchesters bis ins Schlagwerk erhalten – die Umformungen gegenüber der ursprünglichen Streichquartettbesetzung dürften umfangreich gewesen sein!
Gefaßt wurden die drei Stücke der serbisch-amerikanischen Komponistin durch eine Sinfonie in D-Dur von Karl Borromäus von Miltitz. Zweimal spielte die Sinfonietta das äußerst knappe, aber erfrischende Stück – ein wenig, als habe ein Beethovenzeitgenosse die barocke Sinfonie einer Oper oder Bach-Kantate im 19. Jahrhundert neu belebt. Die Wiederholung kam der Entdeckung zugute, ein Verbund mit den Stücken Vera Stanojevic im Sandwich ergab sich indes, nicht zuletzt, weil sich Seulhwa Jang (Miltitz) und Yiting Shi (Stanojevic) im Dirigat abwechselten, nicht zwangsläufig.
Das war nach der Pause schon etwas anderes, als HfM-Student Samir TimajChi aus dem Iran mit »Tumultuous« für die zweite Uraufführung sorgte. Der Name war nicht ganz Programm, denn ein Tumult war das Stück nicht, sondern ein organisiertes, gewitztes Klang-Happening, für welches die Musiker der Sinfonietta auf die Bühne kamen, ihre Instrumente auspackten und sie stimmten. Jedoch nicht individuell sondern nach Zeit- und Taktmaß Kofferschlösser schnappen oder Reißverschlüsse ratschen ließen. Ekkehard Klemm hatte sichtlich Spaß an diesem »Untumult«, an dessen Ende der eigentliche Anfang stand: Konzertmeisterin Uta-Maria Lempert gab den Einsatz zum Stimmen.
Somit blieb es – zumindest symbolisch – an Beethoven, mit dem Tripelkonzert Opus 56 für Ordnung zu sorgen. Joonbyeon Lee (Klavier), Seoyoon Lee (Violine) und Heewoo Cho (Violoncello) bildeten ein noch etwas ungleiches Solistentrio, aus dem das Violoncello die vielleicht sichersten und beherztesten Töne spendierte.
Für Ekkehard Klemm war es ein besonderes Konzert, immerhin zwanzig Jahre, zwei Drittel der Zeit, hatte er die Sinfonietta begleitet und sorgte auch jetzt noch einmal, wie mit der Moll-Eintrübung des Orchesters im Largo, für dramaturgische Akzente. Olaf Georgi dankte ihm zum Abschied aufs Herzlichste.

Das Konzert wurde – wie jedes der Schnittpunkte-Reihe – am Sonntag mit dem Meetingpoint Memory Messiaen e. V. im Kulturforum Görlitzer Synagoge wiederholt.
26. Oktober 2024, Wolfram Quellmalz
Konzerttip: 21. November, 19:30 Uhr, ZentralWerk Dresden sowie zweimal am 6. Dezember im STRAZE Greifswald, »Das Nebelmeer«, Musik & Tanz trifft Caspar David Friedrich, Acantun Kollektiv, Sinfonietta Dresden und Perform[d]ance