Sonntagsmusik in der Dresdner Frauenkirche
Es war die bereits 398. Geistliche Sonntagsmusik, mit der die Dresdner Frauenkirche gestern den 1. Advent beging. Am Vormittag wurde bereits der neue Frauenkirchenorganist Niklas Jahn ins Amt eingeführt – wir werden uns ihm zu späterer Zeit noch besonders widmen.
Der schöne Raum im symbolträchtigen Haus hat verbindende Wirkung, leider keine eigene Gemeinde, bringt aber Menschen aus aller Welt zusammen. Frauenkirchenkantor Matthias Grünert heißt sie in diesem Jahr unter anderem mit zwei Terminen adventlicher Renaissancemusik willkommen. Gestern gestaltete er mit dem Chor der Frauenkirche und der Instrumenta Musica eine anregende musi(kali)sche Stunde. Dabei verbanden die Komponisten bereits wichtige Regionen und Traditionen: Andreas Hammerschmidt, in Böhmen geboren, besuchte Heinrich Schütz in Dresden und lebte in Zittau. Michael Praetorius stammte aus Creuzburg bei Eisenach, sein Dienst am Wolfenbütteler Hof führte ihn später mehrfach nach Dresden. Und Wolfgang Carl Briegel ist im unterfränkischen Königsberg geboren – bis nach Nürnberg, woher Matthias Grünert stammt, sind es immerhin oder nur (je nach Sichtweise) einhundert Kilometer.
Andreas Hammerschmidts Motette »Machet die Tore weit« war eine Eröffnung, die sowohl hinsichtlich ihres Inhaltes als auch wegen der Wiedererkennung paßte – so fühlte sich jeder schnell »abgeholt«. Michael Praetorius‘ »Hosianna in der Höhe« führte den Gedanken fort, dennoch schien der Chor zunächst noch etwas bemüht oder übererregt. Was für einen im Grunde Kantoreichor jedoch kein Makel ist, erst recht nicht, wenn man das Pensum betrachtet, das er im Laufe der Zeit bewältigt. Im Verlauf legte sich die leichte Schärfe ohnehin, spätestens mit »Der Morgenstern ist aufgedrungen« von Michael Praetorius war die gewohnte Homogenität hergestellt.

Zuvor hatte der Blechbläserchor der Instrumenta Musica (Posaunen, Trompete und Zink) in der Kantate »Stimmet Hosianna an« von Wolfgang Carl Briegel für eine strahlende instrumentale Ausleuchtung gesorgt. Die Suite Nr. 19 aus Banchetto Musicale von Johann Hermann Schein aus Grünhain gestaltete das noch veritabler aus und erinnerte mit ihren Flöten teilweise gar an die italienischen Piffari.
Wenn »die Welt« zu Gast ist, also viele Touristen und Besucher, aber keine Gemeinde, ist es schwieriger, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Zumindest mit Tiefe. Das Geistliche Wort von Pfarrer Holger Treutmann (von 2006 bis 2016 selbst Frauenkirchenpfarrer), der über den Weg bzw. Einzug sprach, den man (sich) bereite, versuchte, das Publikum mit Verweisen auf Henry Maske und Helene Fischer zu erreichen. Mehr als leutselig war dies jedoch kaum – vielleicht hat es den einen oder anderen ja auf den Weg des Advent gebracht.
Musikalisch durfte Michael Praetorius (Missa sine nomine, seine instrumentale Bransle de Villages sowie als Abschluß »Es ist ein Ros entsprungen«) noch mehrfach den Faden aufgreifen – er erwies sich als reißfest. Und Giovanni Gabrieli hatte nach dem Geistlichen Wort mit dem Canzon septimi toni gezeigt, wie mannigfaltig und überwältigend in Musik umgesetzte Struktur sein kann.
Mit am meisten (und wohl mehr als jedes gesprochene Wort) berührten Johannes Eccards a cappella vorgetragenes »Übers Gebirg Maria geht« sowie Heinrich Schütz‘ »Also hat Gott die Welt geliebt« (Motette SWV 380). Die nächste Adventliche Renaissancemusik gibt es am 15. Dezember, 16:00 Uhr, in der Frauenkirche Dresden.
2. Dezember 2024, Wolfram Quellmalz