Glanzvoll, nur kurz

Renaissanceweihnachten in der Dresdner Frauenkirche

Weihnachtliche Renaissancemusik gehört in jedem Jahr zum Programm der Dresdner Frauenkirche. In ihrem Barocken Umfeld läßt sie sich prächtig darstellen, auch wenn manche Werke gut einhundert Jahre vor dem Meisterstück George Bährs entstanden sind. Immerhin: Heinrich Schütz war im Vor-Vorgängerbau der Frauenkirche tätig, war sogar in deren Vorhalle bestattet worden.

In diesem Jahr hatte Frauenkirchenkantor Matthias Grünert gleich zwei Adventssonntage für die Musik von Praetorius, Schein und Schütz vorgesehen. Einzelne Titel, wie Andreas Hammerschmidts »Machet die Tore weit«, hatten schon am 1. Advent dazugehört. Natürlich war die Motette als Eröffnung – sicherlich eines der schönsten Adventslieder – am Sonntag gerne noch einmal gehört. Der Kammerchor der Frauenkirche und die Instrumenta Musica zeigten sich in Bestform und ließen das Werk, dessen Komponist einen besonders aufbrausenden Charakter gehabt haben soll*, hell und freudig strahlen. Michael Praetorius‘ Bransle de villages (aus den Terpsichore) unterstrich den Festglanz nicht minder – schade nur, daß es soviel Unruhe und Zwischenapplaus nach jedem Titel gab. Ein Hinweis im Programm oder vorab als Ansage würde – zeigen andere Beispiele – den Charakter der Andacht, wozu die Geistliche Sonntagsmusik zu zählen ist, sicher unterstreichen.

Andreas Hammerschmidt (Kupferstich von 1646, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) Michael Praetorius (Kupferstich von 1606 aus »Die großen Deutschen im Bilde« von Michael Schönitzer, 1936, ursprünglich verwendet in: Musae Sioniae), Johann Hermann Schein (Portrait eines unbekannten Malers, Ölfarbe auf Leinwand, 92 x 73 cm, Universität Leipzig, Bildquellen: Wikimedia commons

Denn es war die bereits 399. – bald gäbe es also ein Jubiläum zu feiern. Am zweiten Weihnachtsfeiertag, allerdings einem Donnerstag, steht mit der Geistlichen Festtagsmusik ein anderer besonderer Termin im Kalender der Frauenkirche. Sie feiert den Tag mit französisch-romantischer Weihnachtsmusik von Camille Saint-Saëns. Dessen Weihnachtsoratorium hat sich nach dem von Johann Sebastian Bach mittlerweile einen festen Platz bei vielen Musikfreunden erobert.

Zunächst blieb Matthias Grünert aber gut dreihundert Jahre früher bei Hans Leo Haßler und weitere Male Michael Praetorius, wobei sich der Kammerchor über »Verbum caro factum est« (Haßler), »Nun komm, der Heiden Heiland« von Michael Praetorius sowie dessen »Der Morgenstern ist aufgedrungen«, a cappella vorgetragen, noch steigerte – der letzte, sozusagen stillere Titel, war sicherlich der berührendste.

Mit Johann Herman Schein zeigte die Instrumenta Musica noch einmal, welche Pracht in der Sächsischen Renaissance zu finden ist. Die Suite Nr. 19 in F (aus Banchetto musicale) stand dem auf das Geistliche Wort (Angelika Behnke) folgenden Canzon septimi toni von Giovanni Gabrieli (tags zuvor von den Schülern des Landesmusikgymnasiums gehört) kaum nach. Freilich ging Gabrieli noch etwas kunstvoller mit den Stimmen um, so daß sich Uta Schmidt beim Italiener nicht nur in den Soli mit Angelika Grünert (Violine) abwechselte, sondern selbst die Flöten zwischen Sopranino bis zum Tenor mehrfach tauschte.

Wäre es ruhiger gewesen, hätte das Programm noch mehr wirken können, denn Matthias Grünert hatte zwischen festlichen, schon auf die Weihnacht verweisenden Titeln, solchen für den Advent und besonders andächtigen eine gute Auswahl getroffen. Johann Eccards Motette »Übers Gebirg Maria geht« gehörte ganz sicher zu den letzteren Werken.

Natürlich kann und darf, möchte man fast sagen, solch ein Konzert in der Frauenkirche auf Heinrich Schütz nicht verzichten. Zumal sich der Kapellmeister, der bei Gabrieli gelernt hatte, gleich mehrfach mit der Weihnachtsgeschichte bzw. dem Weg Jesu auseinandergesetzt hatte. »Ein Kind ist uns geboren« (SWV 384) war stellvertretend für dieses hervorragende Œuvre.

Dennoch stand die Geistliche Sonntagsmusik diesmal vor allem im Zeichen Michael Praetorius‘, zumindest, wenn man nach der Anzahl der Lieder bzw. Motetten geht. Ohne Frage: auch bei ihm gibt es noch viel zu entdecken! Aber auch einige der beliebtesten Weihnachtslieder hat er geschrieben. »Es ist ein Ros entsprungen« (aus Musae Sioniae, Teil VI von 1609) und »Mein Seel erhebt den Herren« (Musae Sioniae, Teil I, 1605) bildeten bereits den Abschluß der knappen Stunden – es hätte gerne etwas mehr sein dürfen!

16. Dezember 2024, Wolfram Quellmalz

Tip: Geistliche Festtagsmusik am 26. Dezember, 16:00 Uhr, Oratorio de Noël von Camille Saint-Saëns, mit Romy Petrick (Sopran), Wiebke Damboldt (Mezzosopran), Annekathrin Laabs (Alt), Alexander Schafft (Tenor), Sebastian Richter (Baß), Chor der Frauenkirche, ensemble frauenkirche dresden, Orgel: Thorsten Göbel, Leitung Frauenkirchenkantor Matthias Grünert

* Nachredaktionelle Anfügung: Solche scheinbar formalen Attribute, in Lexika, Fachbüchern und auf Wikipedia zu finden, sollen aber nicht dazu verleiten, jemanden einseitig negativ abzustempeln oder ihm eine negative Eigenart zu unterstellen. Der Film »Bach – Ein Weihnachtswunder«, so schön die Ausstattung sein mag, hat das Bild des Thomaskantors nicht nur mit allzu vielen unserer zeitgenössischen Attribute geprägt, es stellt ihn auch als ständig aufbrausenden Choleriker dar – der Rezensent meldet nicht nur Bedenken, sondern Widerspruch an! Also: Den Film gerne ansehen, aber: es ist ein ausgeschmückter Spielfilm, keine historisch korrekte Biographie!

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