Dresdner Kreuzchor, Holger Gehring und Capell Brass Quintet steigern Adventstimmung in Richtung Weihnachten
Der Weihnachtsliederabend des Dresdner Kreuzchores lädt in jedem Advent neben den Andachten in der Kreuzkirche als Konzertanlaß Besucher ein und öffnet die Türen für alle. An sich ein froher Termin, zu dem nicht nur die Familien der Kruzianer kommen, sondern auch andere ihren Anteil »echter«, lebendig präsentierter Weihnachtsmusik mit einem Besuch des Striezelmarktes verbinden. Am letzten Adventswochenende vor Weihnachten freilich war dies nach den Ereignissen in Magdeburg unbefangen nicht möglich.

Die Begrüßung von Pfarrer Holger Milkau, der, da es keine Vesper war, nicht in seinem Talar, sondern in Alltagskleidung auf die Kanzel trat, war ursprünglich nicht vorgesehen, sondern spontan dem Anlaß folgend eingefügt worden. Kennzeichen des Sonntages zum vierten Advent, erinnerte er, ist eigentlich die jubelnde Vorfreude, doch diese sei nun beschädigt, verletzt, erstickt. Holger Milkau bat darum, den Moment der Betroffenheit nicht mit Schuldzuweisungen zu belasten, sondern der Versöhnung Raum zu geben. Kurze Worte nur, aber persönliche, und eine verbindliche Geste, die den Respekt gegenüber den Opfern ausdrückte. (In in der Schütz-Kapelle der Kreuzkirche liegt ein Kondolenzbuch aus.)

Das musikalische Programm war dennoch um eine frohe Botschaft angeordnet, was bereits der Einzug zum Ausdruck gebracht hatte. Oskar Wermann war einer von mehreren früheren Kreuzkantoren, deren Werke am Sonnabend (Wiederholung am Sonntag) zur Wiederaufführung kamen. Kreuzorganist Holger Gehring spielte die »Frohe Botschaft« (Opus 93 Nr. 1) mit dem darin enthaltenen Choral »Vom Himmel hoch, da komm ich her«, später folgten zwei Choralbearbeitungen über »Gelobet seist du, Jesu Christ« von Gottfried August Homilius. Während Wermann für einen weihevollen Schimmer gesorgt hatte, zeigten sich Homilius‘ Stücke heller und verspielter. Auch konnte man in ihnen das »Kyrie«, mit dem die Liedstrophen abschließen, leicht erkennen. Der Kreuzchor präsentierte das Lied weiteren Programm noch im Satz von Rudolf Mauersberger.
Die Auswahl griff auf die reiche und bekannte Chortradition zurück, überzeugte dabei aber außerdem durch Sätze und Bearbeitungen, etwa »Macht hoch die Tür« von Rainer Selle oder »Maria durch ein Dornwald ging« (Günter Raphael). Der Text von »Freue dich, Du Tochter Zion« führte diesmal zum Romantiker Heinrich von Herzogenberg, während anderes (»Es ist ein Ros entsprungen« und »Der Quempas« von Michael Praetorius) in der gewohnten Form erklangen.
Kreuzkantor Martin Lehmann ordnete den Chor hier und da um, setzte einen kleineren Teilchor ab, etwa um Stimmen über die Strophen zu variieren. Die dynamische Gestaltung im Verlauf wie die Stimmverteilung in den Strophen bot einen geschlossenen, lebendig variablen Eindruck ohne auffallende Wiederholung von Effekten. Natürlich ist es immer besonders berührend, ja erhebend, die schlanken, klaren Kruzianerstimmen solistisch zu hören, wie Alfred Roelke und Jonathan Schöley in »Maria durch ein Dornwald ging«.
Neben Holger Gehring stand dem Kreuzchor das Capell Brass Quintet in Vorspielen und Begleitung zur Seite. Trotzdem blieb vielen Strophen die besondere a-cappella-Fassung vorbehalten, die in ihrer ausdrucksstarken Schlichtheit gerade eine besondere Festlichkeit barg.

Das Capell Brass Quintet durfte sich dafür mit instrumentalen Stücken allein präsentieren. Zwei Bearbeitungen stachen besonders heraus: César Francks Panis angelicus in einer Fassung von David Marlatt sowie das Gloria aus Joseph Haydns Nelson-Messe (Bearbeitung: Walter H. Barnes). Während das erstere ruhig fließend der Trompete den solistischen Vortritt ließ, offenbarte das zweite eine enorme Virtuosität in allen Stimmen bis zur Tuba!
Natürlich durften festlich glänzende Titel wie Felix Mendelssohns »Hark! The herald angels sing« nicht fehlen. Dem vermeintlich englischen Klassiker standen noch »Ding dong, merrily on high« (Satz: Charles Wood) sowie als Zugabe »We three kings« (Soli: Moritz Rühl und Morten Graßau) von John Henry Hopkins gegenüber. Auch instrumental – aber schon ziemlich populär – gab es mit »Have yourself a merry little Christmas« einen anglikanischen Beitrag.

Im Programm des Kreuzchores überraschte vielleicht ein Werk Pieterszoon Sweelincks, den man heute fast ausschließlich mit Orgelliteratur in Zusammenhang bringt. »Hodie Christus natus est Jan« war ein Beispiel seiner Vokalmusik – in solchen Stücken lagen Sweelincks Anfänge als Komponist. In »Macht hoch die Tür« und dem traditionell abschließenden »Oh du fröhliche« vereinte Martin Lehmann Kreuzchor und Besucher singend. Letztlich durften Kreuzchor und Quintett drei Zugaben bringen (Solist in »Ihr Kinderlein kommet«: Fritz Hedrich), bevor mit »Dona nobis pacem«, noch einmal mit dem Publikum gesungen, ein Gedenkmoment gesetzt wurde.
22. Dezember 2024, Wolfram Quellmalz