Neue Zeiten beim Dresdner Kreuzchor

Spätere Christmette bricht (nicht) mit Traditionen

Man wolle den Bedürfnissen der Kruzianer entgegenkommen, hatte der Kreuzchor mit dem neuen Schuljahr verlauten lassen, und die Zeiten für Christvespern und -metten leicht verschoben. Daher begann die Christmette am ersten Weihnachtstag erstmalig eine Stunde später, um 7:00 Uhr. Ob sich das spätere Aufstehen für die Kruzianer gelohnt hat, bedarf der Auswertung, die Pause zum nachfolgenden Gottesdienst zumindest war mit einer guten Stunde nicht eben üppig. Die Vielzahl der Dienste gehört jedoch seit über 800 Jahren zum Pensum des Kreuzchores, gerade in der Weihnachtszeit. Schließlich geht es dann nicht um beliebige Konzerte, sondern Kirchendienst an den wichtigsten Feiertagen.

Aber auch bei den Besuchern sorgte die Verschiebung für eine neue Zeiteinteilung. Nicht nur bei jenen, welche zur gewohnten Anfangszeit gekommen waren und lange im Dunkeln ausharrten, sondern weil sich der weitere (gewohnte) Feiertagsablauf damit ebenfalls verschob.

Die Geburt Jesu, älteste bekannte Darstellung von Maria mit dem Kind, außerdem: Prophet Bileam, Stern von Bethlehem, Stuck in den Katakomben von Priscilla (Rom), frühes 3. Jahrhundert, Bildquelle: Wikimedia commons

Die Botschaft und der eigentliche Anlaß blieben natürlich am Mittwoch unberührt. Vielleicht war es in manchem sogar ein wenig stimmiger im praktischen Sinne, denn die Worte »zu Ende ist auch die finstere Nacht« am Schluß des Krippenspieles entsprachen dem mittlerweile durch die Kirchenfenster hereinbrechenden Tageslicht.

Der übrige Ablauf folgte dem seit Jahren sorgsam gehüteten Modell der Christmette von Rudolf Mauersberger, die sogar Eingang in dessen Werkverzeichnis fand (RMWV 73) sowie dem Mettenspiel von Joachim Schöne und schloß zahlreiche Solisten und kleine Ensemble des Kreuzchores ein. Selbst Kruzianer, die keine Spiel- oder einzelne Singrolle hatten, waren also in Chor, Teilchor oder Kurrende rege einbezogen. Diese Regheit und Wachheit überzeugte am nicht mehr ganz so zeitigen Feiertagsmorgen. Die Kruzianer sind so sicher und haben ein Selbstverständnis »intus«, sind in ihrer Sache so fest verankert, daß sie auch ein einzelnes Wort oder ein Zeilenanfang, wenn er doch einmal entfallen ist, nicht aus der Ruhe bringt, der Ablauf nicht stockt.

Vielmehr fanden die Kruzianer flexibel zusammen, was hier noch mehr beeindruckte und wichtiger war als zum Beispiel beim Weihnachtsliederabend kürzlich, denn es ging eben nicht nur um das Singen von Liedern, sondern auch um ein ernsthaftes Spiel und eine geschlossen wirkende Aufführung. An Hingabe ließen die Kruzianer sowieso nichts missen, die Botschaft stand im Vordergrund.

Und so feierte der Kreuzchor mit der Gemeinde die Ankunft Jesu, beginnend mit dem Introitus von Rudolf Mauersberger und den auf Chorempore und im Altarraum verteilten Sängern. Eine Ankunft, die beim Einzug (Beginn des Krippenspiels) und mit wachsendem Licht noch sinnig verdeutlicht wurde.

Dennoch waren die Effekte der Beleuchtung nur nachgeordnet, vordergründig blieb die Musik und auch dabei das räumliche Erfahren. Denn das Gloria in excelsis Deo erklang aus dem Treppenhaus hinter dem Altar durchs geöffnete Fenster herein, später nutzten die Kruzianer bei »Kommet ihr Hirten« die Wechselwirkung von innen (Knabenstimmen) und außen (Männerstimmen im Treppenahaus) zur Gestaltung.

Oftmals, eigentlich fast immer werden Soli zu Höhepunkten in Vesper, Mette oder Gottesdienst. Die Auswahl dafür geschieht lange im voraus und mit Blick auf die Entwicklung der Knaben, so daß man eigentlich von einer sicheren Besetzung ausgehen kann. – Eine Erwartung, die sich auch diesmal erfüllte. Insofern seien stellvertretend für viele Einzelleistungen besonders Joel Necker (Verkündigung), Friedrich Zweynert (Maria) sowie Albert Fiedler (Engel) erwähnt. Vielen Liedern, wie »Ehre sei Gott in der Höhe« (Rudolf Mauersberger) wohnte in Stimme und Begleitung (hier vor allem Orgel) ein Effekt zunehmenden Strahlens inne. Und »Oh Jesulein süß« hätte kaum inniger, herzerwärmender klingen können!

Wesentlich an dieser Gestaltung war die musikalische Begleitung beteiligt. Neben Kreuzorganist Holger Gehring (Orgel) waren Mitglieder der Dresdner Philharmonie beteiligt, unter denen vor allem Guido Tietze (Oboe) viele gesangliche Soli spielte (»Lippei, steh auf vom Schlaf«), auch Karin Hofmann (Flöte) beteiligte sich daran (»Nimm für Gold und andre Gaben«). Die Blockflöten der Hirten übernahmen die Kruzianer selbstverständlich selbst. Die Philharmoniker folgten ebenso der Hirtengeschichte und statteten manches Stück mit Dudelsackmelodik aus.

Die berührende Mette klang traditionell mit »In dulci jubilo« (Kurrende) vor dem Segen sowie »Oh du fröhliche« (mit Gemeinde) aus.

26. Dezember 2024, Wolfram Quellmalz

Zu Silvester (an diesem Tag traditionell bereits 16.00 Uhr) steht Johann Sebastian Bachs Kantate »Wir danken dir, Gott, wir danken dir« (BWV 29) auf dem Vesperprogramm, Mitwirkende: Marie Hänsel (Sopran), Jonathan Mayenschein (Altus), Jonas Finger (Tenor), Cornelius Uhle (Baß), Dresdner Kreuzchor, Sinfonietta Dresden, Lucas Pohle (Orgel), Kreuzkantor Martin Lehmann, Kreuzorganist Holger Gehring (Orgel), Holger Milkau (Liturg)

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