Mit Zuversicht ins neue Jahr

Dresdner BachChor schließt Weihnachtsoratorium ab

Die Aufteilung bzw. Zusammenfassung der sechs Kantaten aus Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium hat in vielen Kirchen und bei den Chören seine jährliche Vorgehensweise oder Tradition. Natürlich ist es noch schöner, wenn eine Aufführung mit den zugrundeliegenden Festtagen zusammenfällt. Am Sonntag, nur einen Tag vor Epiphanias (sechste Kantate) fügte der Dresdner BachChor mit seiner Leiterin Elke Voigt der Aufführung im Dezember (Kantaten 1 bis 3) den zweiten Teil mit den Kantaten 4 bis 6 hinzu. Die besonders emotionale Gestaltung gehört mittlerweile zu den prägenden Eigenschaften des Chores und war auch diesmal wieder zu spüren. Ebenso brachten sich die Solisten gewinnend ein.

Als bewährter Orchesterpartner stand dem BachChor die Sinfonietta Dresden zur Seite. Bachs Festglanz verbreitet sich vor allem in Trompeten und Hörnern, während der Oboe besonders gesangliche Soli und Begleitungen vorbehalten sind (keine Flöten!). Wobei auch dem Chor immer wieder eine »strahlende« Rolle zugeschrieben ist, wie schon der Eingangschor in der vierten Kantate, »Fallt mit Danken, fallt mit Loben«, wieder bewies. Der helle Nachklang der Soprane wirkte hier wie eine lichte Beflügelung – die darin enthaltene Zuversicht blieb dem Weihnachtsoratorium bis zum Schlußchor erhalten.

Sandro Botticelli »Anbetung der heiligen drei Könige« (Tempera auf Holz, um 1475, 111 x 134 cm) Galleria degli Uffizi, Florenz, Bildquelle: Wikimedia commons

Baß Clemens Heidrich gehörte zum Solistenquartett und ließ das »Immanuel, o süßes Wort« mit sanftem Vibrato verströmen, im Gegenüber mit der Soprangruppe und dem Choraltext (»Jesu, du mein Leben«) wurde die eingangs erwähnte Emotionalität nicht nur erhalten, sondern fast überirdisch belebt, ohne sie aber überzubetonen. Ähnlich gelang das zweite Rezitativ (»Wohlan, dein Name soll allein in meinem Herzen sein!«). Als diffizil erwies sich dagegen die Echo-Arie (»Flößt, mein Heiland«), weil hier Sopran und Echo rhythmisch vertrackt aufeinander abgestimmt werden müssen und das Echo dazu in Sopran und Oboe wechselt.

Der Dresdner BachChor sorgte mehrfach dafür, die Botschaft emotional zu fassen und Textblöcke zu verbinden. Dabei waren die Chöre am Beginn und am Schluß nicht nur ausdrucksstark bzw. verfügten über Leuchtkraft, sie unterschieden sich auch, zum Teil wesentlich, von den Chorälen. Sicherlich am stärksten war dieser Eindruck beim wohl stillsten Lied des gesamten Weihnachtsoratoriums: »Ich steh an deiner Krippen hier« sorgte in der sechsten Kantate für einen Höhepunkt der musikalischen Andacht (den Elke Voigt noch mit der nachfolgenden Pause betonte). Nicht zuletzt, weil hier Chorstimmen und eine schlichte Begleitung so ausgewogen waren. Daß an wenigen expressiven Stellen die Höhe im Chor doch etwas zu sehr herausragte (»Ehre sei dir, Gott«), fiel dagegen kaum ins Gewicht.

Auch die Solisten unterstrichen den lichten und hoffnungsfrohen Charakter des Werkes mit der Qualität ihrer Darbietung. Neben dem erwähnten Clemens Heidrich nutzte Julia Böhme (Alt) die Rezitative in der fünften Kantate, dabei auch hier im Wechsel mit dem Chor (»Wo ist der neugeborne König?)«, vor allem aber adelte sie erneut die Arie »Mein Liebster herrschet schon«. Der glitzernde Sopran von Friederike Urban konnte zwischen unterschiedlichen Hellegraden differenzieren (Echo-Arie / »Nur ein Wink von seinen Händen«, außerdem Terzett), wirkte im Verlauf aber ein wenig schärfer. Ganz klar eine Bereicherung war Jonas Finger, der den Texten des Tenors oft einen besonders emphatisch-frohen Sinn unterlegte.

In der Verständigung und Deutung ging es jedoch nicht allein um emotionale Momente, auch die Gestaltung der Geschichte gewann an Bedeutung. So war die Passage des heuchelnden Herodes (»Ziehet hin und erforschet fleißig«) und der Antwort »Du Falscher, suche nur den Herrn zu fällen« wieder ein spannungsvoller Höhepunkt im Verlauf der Erzählung. Die Sinfonietta Dresden folgte in diesem Sinne nicht nur dem Gestaltungssinn von Elke Voigt, sondern sorgte gerade mit den Blechbläsern ihrerseits für Höhepunkte. Der BachChor wiederum erwies sich nicht nur als »standfest«, sondern bewahrte sich die Ausgewogenheit über das Werk und kam auch bei fugierten Zeilen nicht ins Straucheln. Insofern war der Schlußchor gleichzeitig ein froher Wunsch, dessen Kraft das kommende Jahr begleiten soll.

6. Januar 2025, Wolfram Quellmalz

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