Sächsische Staatskapelle empfing gleich zwei liebe Bekannte wieder
Der eine gehörte noch vor wenigen Jahren zur Kontrabaßgruppe des Orchesters, der andere war 2021 / 22 Capell-Virtuos bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden und kam bereits kurz nach derselben mit Paul Hindemiths »Schwanendreher« zurück – seit Sonntag spielen sie wieder zusammen im Sinfoniekonzert.
Bei Solist Antoine Tamestit (Viola) und Petr Popelka, der sich binnen weniger Jahre als Dirigent etabliert hat, konnte man sich ohnehin auf zwei Dinge freuen: Auf dezidierte Vorbereitung sowie eine Werkauswahl mit Entdeckerpotential. Beides erfüllte sich auch in der zweiten Aufführung gestern.

Alfred Schnittkes Konzert für Viola und Orchester war vor einigen Jahren mit David Aaron Carpenter und Christoph Eschenbach bei der Staatskapelle erklungen – lange ist das mittlerweile her! Ob es an der mittlerweile zurückliegenden Erinnerung lag oder am heutigen Dirigenten – Schnittkes Konzert ist durchaus keines für einen Solisten und ein Orchester. Es verlangt beiden alles ab: die Viola muß ebenso zart, empfindsam und virtuos gespielt werden, darf dafür aber schließlich auch kantabel einen weiten Bogen beschreiben. Was derweil im Orchester passiert, ist kaum weniger beeindruckend, denn hier offenbarte Petr Popelka eine große dialogische Vielfalt und subtile Schattierungen – und das ganz ohne Violinen (Stimmgruppenführer Volker Sprenger rückte als Gast gleich in die Position des Quasi-Konzertmeisters)!
Wobei schon Antoine Tamestits auf seiner schönen Stradivari einen fülligen und orchestralen Ton hervorbrachte – oder körperreich wie ein Cremoneser Wein? Zunächst traten die (nur dunklen) Streicher hinzu, Aufhellung gab es durch Blechbläser und Schlagwerk. Petr Popelka sorgte für eine ungemeine Präzision, die einerseits zur Folge hatte, daß der stets hörbare Solist ins Orchester integriert blieb, andererseits Lichtreflexe in den Schatten der Instrumentengruppen hörbar wurden. Schnittke bediente sich dabei teils verblüffender, feiner Effekte, etwa wenn er eine Gegenstimme der Violen – wohl um das Gegenüber räumlich hervortreten zu lassen – nicht ans erste, sondern ans letzte Pult legte.

Im Mittelsatz zeigte Antoine Tamestit bereits einen Parcours technischer Raffinesse, die aber einen Klang formt – später sollte er dies noch steigern. Zunächst aber blieben die feinen Linien hier wie da erhalten. Die Viola wurde erst spät durch ein Orchestertutti überragt, in der Kapelle waren bis hin zu Klavier und Cembalo wohl so viele Stimmen zu hören wie selten, glissandierende Schlagwerke eingeschlossen. Am Beginn des zweiten Largo schien Antoine Tamestit bzw. Alfred Schnittke zu Bach zurückzukehren, der Übergang bzw. die »Befreiung« des einsamen Individuums durch von Pizzicati umrahmte Blechbläser gehörte zu den vielen Erweckungserlebnissen in diesem Stück.
Das hatte auch im Publikum viele erreicht, aufgeweckt und begeistert. Langanhaltender Applaus und reichlich »Bravi« holten den Solisten gleich zweimal auf die Bühne zurück, der nach einer ersten Zugabe (Capriccio Opus 55 von Henri Vieuxtemps) noch Paul Hindemiths Spielanweisung »Rasendes Zeitmaß. Wild. Tonschönheit ist Nebensache« (vierter Satz der Sonate Opus 25 Nr. 1) insofern widerlegte, daß atemberaubend »toccatierende« Virtuosität durchaus mit Tonschönheit versehen werden kann.
Was läßt man solchen Lustbarkeiten folgen? Petr Popelka hatte zwei Stücke ausgewählt, von denen er – schon aus seiner Zeit der Orchestermitgliedschaft – überzeugt war, daß sie der Staatskapelle besonders liegen würden: Peter Tschaikowskys »Francesca da Rimini« sowie Igor Strawinskys Feuervogel-Suite.

Dante nahm die reale Person der Adeligen Francesca einst als literarische Figur in seine »Göttliche Komödie« auf. Peter Tschaikowsky formte aus der dramatischen Geschichte eine Sinfonische Dichtung. Es ist eines jener Werke des Komponisten, denen ein Ballettgestus innewohnt, dessen Eleganz und Emotionalität sich an diesem Abend besonders reizvoll der (tatsächlichen) Ballettmusik von Igor Strawinsky gegenüberstellte. Nun mit Violinen (Konzertmeisterin: Yuki Manuela Janke) ausgestattet, hob Tschaikowskys Dichtung noch einmal aus dunklen Sphären an. Petr Popelka wahrte eine spannungsreiche Balance zwischen dunklem Drama und lichten Blicken – sein Dirigat kennzeichnete viel Augenkontakt wie ebenso kleine, präzise (aber fordernde) Fingerzeige. Damit war nicht nur ein homogener »Bogen« hergestellt, auf diese Weise hoben sich manche Episoden noch markanter heraus, wie die geisterhaften Flöten (oder Feen?). Das Finale gelang Petr Popelka geradezu rauschhaft!

Um kurz darauf mit Igor Strawinsky als Impulsgeber anzuschließen. Während sich wieder Seitenstimmen wie des Klaviers (diesmal im Hintergrund) sublimierten, traten dialogische Passagen hervor, doch weniger als individuelle Linien wie zuvor, prägten sie nun einen Rhythmus. Dieses Gerüst erwies sich als tragend für den Reigen der Solisten von Konzertmeisterin, Oboe, Violoncello, Klarinette … um wenig später in eine orientalisch gefärbte Ruhe zu fließen.
14. Januar 2025, Wolfram Quellmalz
Heute noch einmal:5. Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden, mit: Petr Popelka (Dirigent) und Antoine Tamestit (Viola), Werke von: Alfred Schnittke, Peter Tschaikowsky, Igor Strawinsky.