Sonderkonzert mit Jan Lisiecki auf Einladung der Dresdner Philharmonie
Ein besonderes Sonderkonzert war es am Mittwoch im Dresdner Kulturpalast nicht allein, weil es »außer der Reihe« und nicht an einem der typischen Philharmonie-Konzerttage stattfand, sondern weil ein ganz besonderer Gast damit verbunden war. Und das meint einmal weniger den Solisten Jan Lisiecki (ohne diesem etwas von seinem Sonderstatus zu nehme), sondern weil Gastorchester hier (fast) nur im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele zu erleben sind. Doch die hatten gar nichts damit zu tun. Daß die Academy of St Martin in the Fields von den Dresdner Philharmonie eingeladen wurde, ist fast ein Novum und wird wohl – ist zu befürchten – ein Solum bleiben, denn nach der Pandemie geht es der Kultur nun an den Kragen der Substanz. Auch wenn die Dresdner Philharmonie bereits einen Appell an den Dresdner Stadtrat gestartet haben, stehen die Zeichen – deutschlandweit – eher auf »totsparen« als auf stützen. Gastorchester werden wir vielleicht nicht mehr so schnell erleben …
Am Mittwoch zumindest hat es aber noch einmal geklappt. Die Academy of St Martin in the Fields ist derzeit mit dem Pianisten Jan Lisiecki unterwegs und spielt an verschiedenen Orten die fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven. Vorab gibt es jeweils eine moderne Komposition, mal auf Beethoven bezogen wie in Dresden, anderswo mit der »Parade« für den Orchestergründer und langjährigen Leiter Sir Neville Marriner von Errollyn Wallen (Nürnberg).

Die Idee klingt schön, doch Anna Clynes »Stride« (schreiten) für Streichorchester konnte dann doch weniger begeistern oder erstaunen als gedacht. Gelangen der Komponistin anfangs noch reizvolle Klangeindrücke, verlor ihr Wandel zwischen allzu reichlich Beethoven-Zitaten bald an Witz, vor allem fehlte ihm der Tiefgang. Nur bunt ist auf die Dauer eben doch weniger reizvoll! Nicht nur Mozart, Ravel oder Brahms haben sich um ihre Vorgänger gekümmert, Bernhard Lang oder Jörg Widmann machen es bis heute – mit weit mehr Tiefe als Anna Clyne!
Doch für die meisten galten ohnehin die beiden Klavierwerke als Hauptprogrammpunkte. Mit dem zweiten und vierten hatte Dresden keine schlechte Auswahl »getroffen«. Allerdings überraschte die Academy mit einer sehr kompakten Aufstellung, den Violinen nebeneinander, Violoncelli und Kontrabässen rechts. Ungewöhnlich, hätte man doch eher gegenübersitzende erste und zweite Violinen erwartet! Allerdings gelang dem Orchester dennoch ein ebenso schlanker und agiler Ton, was nicht zuletzt daher rührte, daß Jan Lisiecki zwar offiziell die Leitung innehatte, auf das offensichtliche, manchmal peinliche Gestikulieren mancher Pianisten jedoch verzichtete. Statt dessen teilte er sich mit Konzertmeister Tomo Keller in die Führung. Zudem – der vielleicht wesentlichste Punkt der Agilität – ist die Academy of St Martin in the Fields mit Stimmführern nicht nur gut ausgestattet, diese sind es auch gewohnt, Verantwortung zu übernehmen.
Dennoch fehlte da ein wenig die Frische, die Spritzigkeit, die Frechheit, mit der das Ensemble so typisch unter Sir Neville Marriner immer agierte. Keineswegs statisch gleichmäßig, aber letztlich doch mit weniger Spannung, fehlte diesem Beethoven ein wenig der Kontrast, die Pointiertheit. Auch wenn Jan Lisiecki und das Orchester vorführten, wie die Romantik bei Beethoven bereits sinfonisch fortgeschritten war. Gerade beim vierten Klavierkonzert fiel auf, wie nah sich Solist und Orchester kamen, wie sich ihre Anteile verzahnten und verdichteten – das erinnerte schon ein wenig an die späteren Brahms-Konzerte.
Im G-Dur-Konzert, nun mit Bläsern und Pauken, ergaben sich noch am ehesten solch kleine Momente innerer Spannung wie nach dem Solo der beiden Celli, wonach die Violen für einen Moment die Orchesterführung innehaben.
Insgesamt also ein hohes Niveau, aber nicht die erwartete Spitze. Der Jubel des Publikums war überraschend einhellig – Jan Lisiecki bedankte sich mit einer flüchtigen Zugabe, Chopins Prelude h-Moll (Opus 28 Nr. 6).
30. Januar 2025, Wolfram Quellmalz
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