Sächsische Staatskapelle zeigt sich im Aufführungsabend kammermusikalisch bis sinfonisch
Innere oder thematische Bezüge schien es gestern im dritten Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle weniger zu geben, aber dennoch elementare Zusammenhänge, vor allem im Hervortreten einzelner Instrumentengruppen. Unter der Leitung von Dirigentin Anna Rakitina waren es sozusagen die Elemente, die den Ton bestimmten.

Schon den Beginn, Florian Franneks »GerMania«, konnte man so »lesen«. Die Uraufführung des Leipziger Komponisten und ehemaligen Thomaners, der Form nach als Ouvertüre gedacht, eröffnete den Abend – ob sich hinter dem Stück mehr als eine Konzertouvertüre verbirgt, eine Opernidee vielleicht, blieb zunächst offen. Im Wechsel gaben aufsteigende Streicher und erwidernde Bläser einander Fragen und Antworten oder Reflexe, schon bald mischte sich ein Ton ein, den man klar dem zwanzigsten Jahrhundert zuordnen könnte – Schostakowitsch vor allem, aber auch Copeland. Der Komponist nutzt in seinem Stück vielleicht einfach die »Spielwiese«, in der sich erst Soli auftun (Oboe) und schließlich die Bläser einen Chor bilden. Dennoch blieb ein wenig der Eindruck, daß man das – bis zum ostinaten Trommelrhythmus (Schostakowitsch oder Ravel?) kenne. Doch soll der Zauber, der diesem Anfang innewohnt, nicht zerstört werden – vielleicht entwickelt sich die Ouvertüre dereinst weiter, findet eine Fortsetzung?

Von anderen Werken kennt man manchmal die »Fortsetzung« besonders, wie den dritten Satz aus Richard Strauss‘ zweitem Hornkonzert. Zumindest im Radio hört man ihn oft. Da verwundert es, wenn man beim Zurückblättern bis in die Ära Giuseppe Sinopoli vordringen muß, um die letzte Aufführung der Sächsischen Staatskapelle (Solist damals: Peter Damm) festzustellen. Wirklich?

Während Florian Franneks Ouvertüre nicht sofort klar zuzuordnen war, erwies sich Strauss sogleich als typisch – große Oper! Und mit Robert Langbein stand ihm ein arioser Sänger zur Verfügung. Denn das Solohorn glänzte mit allen Attributen, die auch einen Helden auf der Opernbühne ausstatten: Artikulation, Eloquenz, Geschmeidigkeit sowie die Fähigkeit, binnen kurzem Szenen zu beleben, ein Crescendo zu schmettern (oder dies anzudeuten), ohne dabei das Legato zu vernachlässigen – fabelhaft! Im Andante con moto formten Solist und Orchester eine Romanze mit ausgedehnter Kantilene, bevor sie im Schlußparcours die Qualitäten Allegro vom Anfang ins Rondeau transferierten. Dessen Reiz steigert sich noch, weil das Solohorn hier mit den Orchesterhörnern verschmilzt.

Nach der Pause präsentierte Anna Rakitina die sinfonische Form mit Jean Sibelius. »Der Schwan von Tuonela« aus der Lemminkäinen-Suite Opus 22 und die siebente Sinfonie sprengten fast den Rahmen dessen, was im zu den Kammermusiken zählenden Abend und auf der kleineren Bühne vor dem Schmuckvorhang stattfinden kann. Und doch oder gerade dabei gelang eine Synthese kammermusikalischer Sinfonie, welche die Bässe grundierten, bevor Englischhorn (Christian Dollfuß), Oboe (Bernd Schober) oder Violoncello (Friedwart Christan Dittmann) solistisch weite Bögen durchschritten. Gerade das Cello sorgte im Duett mit der Viola für stimmungsvolle Akzente.
Dieses Duett war auch in der siebenten Sinfonie ein gewichtiger Farbtupfer. Überhaupt beglückte dieses – leider unvollendete – Werk mit seinen teils düsteren Farben, seinen an Bruckner erinnernden Gipfeln – punktuellen Höhepunkten, die sich jedoch auflösten, statt (wie bei Bruckner) Plateaus zu bilden. In schlanker Weitschweifigkeit hatte Sibelius eine sinfonische Liedform gefunden, milde Steigungen, schroffe, kantige Kanten gezeichnet. Bei soviel Klang fragte man sich, wohin, auf welchen Mount Everest Sibelius dies noch hatte führen können.
2. April 2025, Wolfram Quellmalz