Aufforderung zum Tanz

Domorganist Sebastian Freitag hat seinen Bach-Zyklus begonnen

Wenn man die Vitae gastierender Organisten liest, ist dort bei vielen eine zyklische Aufführung sämtlicher Werke, die Johann Sebastian Bach für Orgel geschrieben hat, erwähnt. (Auch Domorganist Sebastian Freitag hat bereits eine, 2018 in Paderborn, im Lebenslauf stehen.) Trotzdem scheint die Gelegenheit, eine Gesamtaufführung miterleben zu können, im Vergleich seltener. Der im vergangenen Jahr verstorbene Samuel Kummer hat sich in seiner Amtszeit als Frauenkirchenorganist Bach zyklisch zugewandt, sein Kollege, Frauenkirchenkantor Matthias Grünert, spielt an ausgewählten Terminen Konzerte wie Bachs Rezital 1736 (nach dem einzigen gesicherten Auftritt Johann Sebastians an der Silbermann-Orgel der Frauenkirche), doch eine zyklisch kompakte Aufführung sämtlicher Orgelwerke Bachs gab es in Dresden lange nicht. Seit Freitag ist das anders.

Domorganist Sebastian Freitag, Photo: NMB

Bis zum Reformationstag will Sebastian Freitag in fünfzehn Konzerten, jeweils Freitagabend 19:30 Uhr in der Katholischen Hofkirche (Kathedrale), Bachs Gesamtwerk auf der Orgel erschließen. Dafür hat er die Abende insofern abwechslungsreich zusammengestellt, daß sich Concerti, Triosonaten, Choralbearbeitungen und Werkpaare wie Präludium und Fuge bzw. Toccata und Fuge meist abwechseln. Nur im fünften Konzert (30. Mai) wird er sich auf die »Kunst der Fuge« (BWV 1080) konzentrieren. Im Juli gibt es immerhin einen kleinen Schwerpunkt mit einem Teil der »Leipziger Choräle«, im September mit Choralbearbeitungen aus dem III. Teil der Klavierübung, jedoch beide Male in Kombination mit anderen Werken.

Den Auftakt rahmten zweimal Toccata und Fuge: in F-Dur (BWV 540) gelang damit eine sanft perlende Einleitung, als öffne jemand bedachtsam einen Vorhang, während die Fuge mit ihrer Struktur zwischen Manual- und Pedalspiel quasi vergeistigt wirkte, die Konzentration band. Toccata und Fuge d-Moll (BWV 565) ist vielleicht das bekannteste Orgelwerk – aber auch ein zweifelhaftes. Denn bis heute ist die Urheberschaft Bachs nicht gesichert. Ob es dereinst in den Anhang des Bachwerkeverzeichnisses wechseln muß, sei dahingestellt, den ersten Abend schloß es mehr als würdevoll ab, denn Sebastian Freitag ging den vermeintlichen »Feger« umsichtig und in gemäßigtem Tempo an, was dem Werk wohltat. Die Fuge bewies mehr als nur eine übergeordnete Architektur – nicht zum einzigen Mal an diesem Abend hob der Vortrag die rhythmische Struktur in den Vordergrund, was einen geradezu tänzerischen Eindruck erweckte.

Das war Sebastian Freitag bereits im zweiten Werk des Programms, im Vivace der Triosonate d-Moll (BWV 527) gelungen. Schon das Andante gewann durch die Kombination schimmernden Klangs und anregender Vitalität, im Verlauf belebte sich das Stück durch seine Filigranität noch mehr – da schien Bach bereits ein wenig in die Zeit seines Sohnes Carl Philipp Emanuel vorzudringen.

Auch in der Programmmitte gab es eine Symmetrielinie mit zwei Präludium und Fuge – auf G-Dur (BWV 550) folgte später A-Dur (BWV 536). Das erstere stand im verspielten Gestus noch der eben verklungenen Triosonate nahe, gleichzeitig war es das am meisten silbrig klingende Werk des Abends. Im Schwesterwerk A-Dur fiel besonders die irisierende Fuge mit ihren Modulationen auf.

Weil sich die Werke in Art und Gattung innerhalb des Orgelspektrums unterschieden, bot Sebastian Freitag nicht nur Abwechslung, er eröffnete damit solche Vergleiche oder regte sie sogar an. Das war weit spannender als es beispielsweise die eindimensionale Steigerung auf einen Abschlußhöhepunkt gewesen wäre.

Wie auch bei zwei Gruppen von Choralvorspielen und -bearbeitungen. Zwischen den beiden Präludien und Fugen war »Allein Gott in der Höh sei Ehr« gestellt, vor dem letzten Werkpaar »Liebster Jesu wir sind hier«. hier luden gerade die Choralwerke dazu ein, Stimmen und Registern zu folgen. So schien die Choralbearbeitung »Allein Gott in der Höh sei Ehr« (manualiter, BWV 717), also ohne Pedal, besonders luftig, während der eigentliche Choral (BWV 260) später den gesanglichen Aspekt betonte.

Das nächste Konzert des Bach-Zyklus folgt gleich am kommenden Freitag. Neben der Triosonate c-Moll (BWV 526) steht dann unter anderem die Fantasie C-Dur (BWV 573) und das Trio c-Moll (nach Fasch, BWV 585) auf dem Programm. Tip: Wer öfter kommt, kann eine Fünferkarte zum Vorzugspreis erwerben.

29. März 2025, Wolfram Quellmalz

https://www.bistum-dresden-meissen.de

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