Liebeskrank in Radebeul

Landesbühnen präsentieren Donizettis komödiantische Seite

Wo man Gaetano Donizettis »L’elisir d’amore« per Genre verankert, darüber herrscht keine Eindeutigkeit. Das Melodramma giocoso wird manchmal als solches bezeichnet, aber auch als Opera buffa oder Komische Oper. Zwar hat »Der Liebestrank« durchaus seine heiteren Seiten und hebt sich somit von der ernsthaften Opera seria ab, doch wieviel Komödie verträgt sein Belcanto?

Jede Menge, meint das Inszenierungsteam der Landesbühnen Sachsen (Rainer Holzapfel / Regie, Ralph Zeger / Bühne, Elisabeth Brzonkalla / Kostüme und Gisela Zürner / Dramaturgie). Sie haben Donizettis Erfolgsstück ins Jahr 1025 und zu den Wikingern verlegt, also knapp eine Generation vor Ende der sogenannten Wikingerzeit. Wirklich nötig oder glaubhaft ist das nicht, es sorgt nur für ein farbenfrohes, andersartiges Umfeld und ein paar Wikingersymbole. Während die Regie mit manchen Anachronismen in ihrem Ansatz nonchalant-großzügig umgeht, versagen sie sich letztlich trotzdem die Konsequenz der doppelten Verlegung – sein Elixier rechnet Dulcamara in italienischen Scudi ab, die es 1025 aber ebensowenig gab wie die Taler, die in manchen deutschen Übersetzungen stehen (die Wikinger rechneten eher in Silbergewicht). Und das Streben nach einem Amt als Großmarschall in Rom kannten die Wikinger wohl ebensowenig.

Adina (Anna Maria Schmidt) und Dulcamara (hier in der Besetzung mit Oliver Weidinger), Photo: Landesbühnen Sachsen, © René-Jungnickel

Die fehlende Konsequenz oder Stringenz läßt daher auch Adinas Rede gegen die Männer, die fordert, daß Frauen selbst entscheiden, welchen Mann sie heiraten und eigenen Lohn verdienen sollen, ins Leere laufen, so wie ihrer Liebe zu Nemorino die Glaubwürdigkeit ausgeht: zwar wird der schüchterne Bauer im Gegensatz zur vermögenden Pächterin ursprünglich als ungebildet bezeichnet, doch in Radebeul ist er ein tölpelhafter Trottel – was macht ihn also begehrenswert? Wenn er wiederholt über Flaschenkisten stolpert, entwickelt das nicht annähernd den Witz wie beim Butler in der Vorlage »Dinner for one«. Im Vergleich ist Nemorinos Widersacher Belcore – wiederum ursprünglich – zwar fesch, aber eigentlich primitiv. Hier wird die Rollenbesetzung von gut bzw. rechtschaffen und böse bzw. fragwürdig entschärft.

So verliert mancher Witz an Lust und Schärfe, werden gute Einfälle überdeckt. Das beginnt bei den Kostümen, die ans Kinderfernsehen erinnern, wobei die Umhänge der »Wikinger-Ritter« in sächsischem Grün-weiß mit einem roten Landesbühnen-L auf der Brust immerhin zeigen, daß sich das Theater durchaus selbst »aufs Korn« nimmt.

Nemorino (Gunnar Björn Jónsson), Gianetta (Marie-Audrey Schatz), Belcore (hier in der Besetzung mit Dániel Foki), Adina (hier in der Besetzung mit Franziska Abram), Photo: Landesbühnen Sachsen, © René-Jungnickel

Spätestens im zweiten Akt hat »Der Liebestrank« dann das Publikum auf seiner Seite, denn amüsieren kann man sich durchaus! Das liegt nicht zuletzt am Text, der deutsch gesungen wird, was aber gleichzeitig ein Problem bzw. ein Kompromiß ist – Belcanto auf deutsch? Der Operngourmet lehnt das ab, nicht erst, wenn Nemorinos Tränenromanze (»Una furtiva lagrima« / »Eine heimliche Träne«) der Schmelz fehlt. Das liegt nicht am Sänger, sondern an der Übersetzung, die auf deutsch immer wieder holperte.

Doch wie gesagt: wer sich amüsieren will, kommt auf seine Kosten, wenn zum Beispiel »Dottore« Dulcamara mit einem vorzeitlichen, qualmenden Gefährt ankommt. Und auch die Elbland Philharmonie Sachsen im Graben (Leitung: Hans-Peter Preu) steuert dem kantablen Gehalt manchen Staccato- oder Trommeleffekt bei – was den humoristischen Ansatz unterstreicht.

Aber nicht nur den, gerade knappe Arien oder Duette werden dadurch pointiert. Denn den größten Reiz entfaltet »Der Liebestrank« durch seine Darsteller und Sänger bis hin zum Chor der Landesbühnen Sachsen, der das Wikinger-Dorf belebt und – je nach Szene als Männer- oder Frauenchor geteilt – mit Ausdruckkraft beeindruckt.

Adina (Franziska Abram) und Ensemble, Photo: Landesbühnen Sachsen, © René-Jungnickel

Zur zweiten Vorstellung in Radebeul am 21. März lagen Anna Maria Schmidt als Adina, Gunnar Björn Jónsson als Nemorino und Do-Heon Kim Dulcamara mit einer gehörigen Portion (Selbst)ironie in der Publikumsgunst weit vorn. Mit dem optisch wie klanglich »schnieken« Sergeanten Belcore (Johannes Wollrab) und Marie-Audrey Schatz als temperamentvoller Gianetta formte sich ein Quintett, das als Ensemble, vor allem aber in Duetten ausgesprochen stark auftrat und mit Spiel überzeugte. So äfften Nemorino (mittlerweile vom Elixier »angeregt«) und Adina einander im Streit nach. Immer wieder waren es diese beiden, die zur Belebung beitrugen, aber auch Belcore oder Dulcamara entwickelten gerade im Gegenüber eine besondere Kraft, wobei der Außenseiter des Dottore (bzw. Quacksalber) mit Do-Heon Kim ganz besonders als Solist die Lacher auf seiner Seite hatte.

22. März 2025, Wolfram Quellmalz

wieder am 13. April (Großenhain) und am 2. Mai (Radebeul): Gaetano Donizettis »Der Liebestrank«, Landesbühnen Sachsen https://www.landesbuehnen-sachsen.de/

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