Kurzkonzerte der Dresdner Philharmonie zur Langen Nacht der Theater
Da hieß es am Sonnabend für Besucher, welche die Sinfoniekonzerte der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast regelmäßig besuchen, sich erst einmal umzustellen: zur Langen Nacht der Theater mußte man sich noch einmal extra anstellen, Karte und Bändchen sichern, bevor es in den Saal ging. Und dann gab es nur ein Kurzkonzert. Doch es waren zwei an diesem Abend mit unterschiedlichen Programmen, also genaugenommen fast ein ganzes, nur daß man zwischendurch noch einmal eine neue Karte brauchte.
Die Lange Nacht zog viele an, die einmal, vielleicht sogar erstmalig oder mit Kindern, Philharmonie-Luft schnuppern wollten, aber es kamen genauso viele Stammgäste, denn die angekündigten Stücke reichten vom Barock bis in unsere Tage. Und vor allem: Dorothee Oberlinger, die heute zu einer Handvoll Stars auf der Blockflöte gehört, erlebt man schließlich nicht alle Tage.

Die gebürtige Aachenerin ist heute in der ganzen Welt zu Hause, nicht nur da, wo man die »Alte Musik« von Telemann & Co. spielt. Für den ersten Teil hatte sie mit dem Concerto grosso D-Dur von Georg Friedrich Händel und Georg Philipp Telemanns Konzert für Blockflöte und Querflöte e-Moll eine konzentrierte halbe Stunde Barock zusammengestellt und betätigte sich dabei zunächst als Leiterin. Denn im Concerto grosso darf (fast) jeder einmal reihum solo spielen – also auch Gelegenheit, die Solisten der Philharmonie (Eva Dollfuß / Violine, Irene Dietze / Viola, Konstanze Pietschmann / Violoncello) näher zu erleben. Vor allem Eva Dollfuß, die sich zudem die Ensembleleitung mit Dorothee Oberlinger teilte, sowie Undine Röhner-Stolle (Oboe) und Felix Amrhein (Fagott) duften die »Instrumente im Wettstreit« (Untertitel des Programms »Concerti«) ausfechten oder vielmehr in einen dialogisierenden Einklang bringen. Ganz nebenbei zeigte sich – wie gut vor neuem Publikum – die großartige Akustik des Saals, die es erlaubt, auch Laute (Stefan Maass) und Cembalo (Michaela Hasselt) problemlos zu hören, wenn beide in der Baßbegleitung mitspielen.
In der Ouvertüre zu Händels Concerto grosso durften sie bereits munter perlen, später woben sie an lebendigen Grundlinien des Rhythmus‘. Nachvollziehbar fand gerade der vitale Wechsel in den schnellen Sätzen viel Anerkennung, das Allegro vor dem Menuett wurde regelrecht feurig, bevor der wiegende höfische Schluß den Punkt der Vollendung fand. Mancher mag aber am Largo mit seiner gesanglichen Linie mehr Freude gehabt haben – hier schimmerte Händel als Opernkomponist durch.
Sein Zeitgenosse, Kollege und Freund Georg Philipp Telemann bot danach etwas Besonderes, denn ein Doppelkonzert für Blockflöte und Querflöte (bzw. damals Traversflöte) ist sehr ungewöhnlich, zumal, wenn in einem modernen Orchester nicht Alte Instrumente erklingen, sondern Streicher mit Stahlsaiten und eben eine Flöte nach Theobald Böhm. Mit Marianna Julia Zolnacz stand Dorothee Oberlinger nicht nur eine der jüngsten, sondern auch gewandtesten Solistinnen der Dresdner Philharmonie zur Seite. Wie schön, daß sich beide nicht gegenseitig übertrumpften, sondern eine Balance fanden, in der jede ihr Instrument mit seinem charakteristischen Klang präsentieren konnte!
Auch hier kam der kantable Vorzug des Largo zum Tragen, das zum lieblichen Duett wurde. Die Kontraste bzw. das Hervorkehren von Affekten durch dynamische Schattierungen waren sicher vorher geprobt worden, im Augenblick zählte für die Balance dennoch das Spiel der beiden Solistinnen im Verbund mit dem von Evan Dollfuß angeführten Ensemble.
Welche Flöte klang nun schöner? Schwer zu sagen – etwa wie der Vergleich zwischen Distelfink und Drossel. Höreindrücke vertiefen konnten die Besucher des zweiten Konzerts, weshalb manche aus dem ersten herüberwechselten. Dort wuchs die Barocke Flötenpracht dann mit Antonio Vivaldi (Concerto RV 443) zum Triumvirat. Mit Terry Rileys »In C« (Soloflöte mit einigen Instrumenten) gab es aber auch das modernste Werk des Abends, das bereits am Beginn der Minimal music steht. Dorothee Oberlinger pur gab es davor – nicht minder modern – mit Luciano Berios legendärem »Gesti«.
27. April 2025, Wolfram Quellmalz