Sinfoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle mit Sol Gabetta und Tugan Sokhiev
Wenn in den beiden Konzerthälften schon die Orchesteraufstellung so unterschiedlich ist, nicht nur in der Größe, dann darf man auch im Ergebnis höchst ungewöhnliches erwarten. Und ausgefeiltes. Denn Sol Gabetta und Tugan Sokhiev waren beide sehr darauf bedacht, das zum Klingen zu bringen, was ihnen am Herzen lag. Das ging bei Sol Gabetta so weit, daß sie ihr eigenes Cellopodest mitbrachte. So wie man sitzt, so thront man? Kaum! Selbst wenn der optische Effekt (oder die Sitzhöhe) durchaus einen Einfluß auf die Befindlichkeit des Spielers oder dessen Wohlbefinden haben. Weit wichtiger ist: das Podest ist aus Holz, schwingt mit, und hat einen nicht zu vernachlässigenden Einfluß auf die Klangübertragung. Wer Gelegenheit für ein Experiment hat, soll es einmal vergleichen (mit / ohne).
Also spielte Sol Gabetta Dmitri Schostakowitschs Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur nicht nur mit dem ihr zur Verfügung gestellten Stradivarius, sondern auf dem eigenen Podest (schließlich gibt es ja Pianisten, die mit eigenen Flügeln reisen). Unter der Leitung von Tugan Sokhiev fand sie mit der Sächsischen Staatskapelle zu einem kammermusikalischen Dialog, der mit den Holzbläsern begann und in den Streichern fortgeführt wurde. Das tat dem Werk schon deshalb gut, weil ihm das Grobe, was sonst schnell hineinkommt, fehlte. Mit Tugan Sokhievs dynamischer Gestaltung spitzte sich der Dialog, sprich »Konflikt« zwischen Solistin und Orchester dennoch zu. Immer bedrohlicher, schärfer, scharfkantiger schien das Orchester die Solistin zu umschließen.

Im zweiten Satz trat das kammermusikalische Element noch stärker hervor, als Sol Gabetta erst dem Solohorn (Robert Langbein) und dann der Klarinette gegenübertrat. Robert Oberaigner hatte gleich zwei Instrumente mitgebracht, denn die Soloklarinette muß das Baßregister ebenso streifen, wie sie eine Höhe aufreißt. Daß Schostakowitsch dabei scharfe, fast schrille Töne verlangt, machte es um so eindrucksvoller – für einen Moment füllte eine erregte Sonate für Violoncello und Klarinette den Raum.
Der Weckruf des Horns, nun seinerseits fordernd, fast schreiend, brach dies auf. Berückend war das Piano, in das Tugan Sokhiev das Orchester danach führte. Ruhe? Trügerisch! Denn der Kampf oder Streit begann erneut, Sol Gabetta ließ das Cello fliehen, wieder war das Horn der führende »Jäger«. Beeindruckend! Trotzdem störte das frühzeitig in den Ausklang gerufene »Bravo!«. Nach Bruckner sollte sich hier mehr Andacht einstellen.
Zunächst aber bedankte sich Sol Gabetta mit einer ungewöhnlichen Zugabe, »Nana« von Manuel de Falla (aus der Suite Populaire Espagnole)mit der Celesta (Nathan Raskin) als Partner.
Die siebente Sinfonie von Anton Bruckner (E-Dur, WAB 107) war nach der Pause nicht nur ein enormer Anstieg in sinfonischer, sondern in jeglicher musikalischer Hinsicht. Bruckner erfaßt den Hörer im Grunde mit jedem Anfang geradezu körperlich. Hier waren es die vibrierenden feinen Streicher, die (Violinen) aus dem Nichts zu kommen schienen und über die Instrumentengruppen in einen ungeahnten Wohlklang wuchsen. Das betörende dabei war, daß sich Tugan Sokhiev nicht auf Volumen oder Kraft verließ – der Klang wuchs ebenso differenziert, wie er noch in den zarten Streicherpassagen präsent blieb. Darin offenbarte sich – trotz Wagner-Tuben und Anklängen an dessen Harmonik – eine Wärme, wie man sie von Johannes Brahms‘ Sinfonien kennt!

Insofern ist Bruckner regelrecht betörend, nicht zuletzt, weil er noch in tragischen Momenten (Adagio) elegant und fließend bleibt. Hörner (Solo: Zoltán Mácsai), Flöte (Sabine Kittel) und Oboe (Céline Moinet) formten eingebundene Soli, Tugan Sokhiev ließ Teile des Finale gar liedhaft schlank gleiten – auch hierin schien sich Brahms zu spiegeln. Bruckners Siebente wuchs zu einem Giganten ohne Gigantismus – ein Klangerlebnis und eine musikalische Andacht, da hielt noch lange die Stille vor dem Applaus.
19. Mai 2025, Wolfram Quellmalz
Auf dem Programm des nächsten Sinfoniekonzerts der Sächsischen Staatskapelle steht Gustav Mahlers dritte Sinfonie (8., 9. und 10. Juni, Dirigent: Daniele Gatti).