Kreuzchor beginnt Gastspielreise mit Mozart und Pärt im Dresdner Kulturpalast
Kurz nach ihrer Rückkehr aus Wien waren die Kruzianer in dieser Woche schon wieder als Botschafter in Sachen (ihrer) Musik, aber auch Dresdens unterwegs. Am Montag traten sie in der Elbphilharmonie auf, am folgenden Tag ging es von Hamburg nach München, wo das Konzert noch einmal in der Isarphilharmonie zu hören war – Räume, deren feine Akustik dem Wort entgegenkam. Der Auftakt der Gastspiele fand vor einer Woche (Freitag und Sonnabend) im Dresdner Kulturpalast statt, wo die Reihe der Aufführungen großer geistlicher Werke mit der Dresdner Philharmonie fortgesetzt wurde. Vor einem Jahr hatte der Kreuzchor mit Kreuzkantor Martin Lehmann an gleicher Stelle Franz Schuberts Messe As-Dur (D 678) und Francis Poulencs Gloria dem Publikum vorgestellt und das Konzert mitgeschnitten. Daß die Aufnahme auch technisch gelungen ist – bei weitem keine Selbstverständlichkeit – steigert nun die Vorfreude, denn am Freitag hingen wieder Aufnahmemikrophone im Konzertsaal.
Auf dem Programm standen Wolfgang Amadé Mozarts Requiem d-Moll (KV 626) sowie Stücke von Arvo Pärt. Doch der Kontrast eines chronologischen Gegenübers, das sich aus dem Nacheinander speist, war Martin Lehmann wohl zu einfach, und so setzte er Arvo Pärts Werke zwischen die Sätze des Requiems. Ein Wagnis? Vielleicht. Aber ein geistliches Werk im Konzertsaal ist ohnehin ein Wagnis, wie die Konzertpause zeigte, als nach dem »Amen« des Lacrimosa Applaus aufkam.

Wichtiger war, daß die Zusammenfügung nicht nur sinnfällig schien, daß Mozart und Pärt nicht nur zur Synthese fanden – die lange Stille nach dem wirklich letzten Ton aus »Da pacem Domine« von Arvo Pärt stand dafür, welch spannungsvolle Andacht auch im Konzertsaal erreicht werden kann.
Dabei ging das Programm durchaus bald frei mit Gewohnheiten um. Wer Mozarts Requiem kennt, erwartet nach dem Kyrie das flammende Dies irae. Statt aufgewühltem Tobens folgte diesmal aber mit »Fratres« das erste Versatzstück des Esten Arvo Pärt, der für eine meditative, rein instrumentale Beruhigung sorgte – durchaus eine Brechung an dieser Stelle.
Später mischten sich Mozart und Pärt inniger, allein schon durch das gesungene Wort und den Inhalt der Texte. Pärts »De profundis« (»Aus der Tiefe ruf ich zu Dir«) entfaltete nach Mozarts Dies irae mit den Männerstimmen des Kreuzchores eine berauschende Kraft, schien es doch aus wirklich tiefsten Tiefen in ostinaten Schleifen nach oben zu schweben, um schließlich in einem enormen Schub aufzusteigen. »Peace Upon You Jerusalem« (Friede sei mit Dir, Jerusalem, a cappella gesungen) und »Cantus in Memory of Benjamin Britten« lenkten nach dem Benedictus die Gedanken in konkrete Bahnen, ohne von Mozart »abzuschweifen« – eine gelungene Ergänzung!
Die Wandlungsfähigkeit des Kreuzchores zeigte sich schon bei Mozarts dem Kyrie vorangehendem Introitus, der dem Klang eines gemischten Chores entsprach, erst mit dem Kyrie traten die typischen Knabenchormerkmale stärker hervor. Diese Gestaltungskraft nutzte Martin Lehmann weiter, etwa um die Bodenständigkeit eines Fundamentes (Männer) im Kontrast zu den Himmelsstimmen (Knaben) noch deutlicher wirken zu lassen.
Die Solisten Katharina Konradi (Sopran), Marie Henriette Reinhold (Alt), Patrick Grahl (Tenor) und Krešimir Stražanac (Baß) erwiesen sich als höchst individuell, was den Reiz noch steigerte, da sie oft paarweise »gekreuzt« sangen. Vor allem bei Katharina Konradi, die ihren schlanken Sopran mit reichem Vibrato auflud und Krešimir Stražanac, dessen Baß in den letzten Jahren noch mehr abgerundet klingt, fiel eine Nähe zur Oper auf, jedoch auf passende Weise, denn es erinnerte nicht zuletzt an »Die Zauberflöte« (KV 620), die wie das Requiem in Mozarts Todesjahr uraufgeführt wurde. Die dunklen Stimmen von Alt und Baß standen außerdem für einen goldenen Schimmer, während Sopran und Tenor die strahlende Höhe markierten. Die Kombinationen des Quartetts waren in jeder Hinsicht erfrischend!
Den wesentlichen Teil trug aber der Kreuzchor, der in maximaler Größe ein beeindruckendes Volumen entwickeln konnte und in Farbe sowie Verläufen eine Entsprechung zum Text fand. Mit am beeindruckendsten vielleicht im Offertorium, wenn etwa die Zeile »Quam olim Abrahae« (Wie einst Abraham) wiederkehrt. Diese auch rhythmische Flexibilität trug erheblich zum spannungsvollen Gelingen bei (und läßt die Vorfreude auf die kommende Aufnahme wachsen). Einen großen Teil der Spannung bezogen die Werke aus dem Orchester, denn die Dresdner Philharmonie war erneut ein äußerst gestalterischer Begleiter. Einerseits als Gegenstimme bei Mozart, zum Beispiel in der Korrespondenz der Chorbässe mit den Blechbläsern (Posaunen), dann aber auch, weil Arvo Pärt immer wieder mit ostinaten Motiven arbeitet, welche die Stimmen tragen. Mit Pärts »Da pacem« fanden sie gemeinsam den friedlichen Nachdruck des innigen Wunsches.
17. Mai 2025, Wolfram Quellmalz
Der Dresdner Kreuzchor ist am kommenden Sonnabend wieder an angestammter Stelle in der Kreuzkirche zur Vesper zu erleben.